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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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mündete ein Rohr in den Tunnel, schmutziges Wasser tröpfelte daraus hervor. Katherine zog sich hinauf und kroch hinein. Dabei fiel ihre grässliche schwarze Perücke zu Boden. Arthur warf sie ihr hinterher und kletterte dann mit ihrer Hilfe selbst hinein.
    Es war höchste Zeit, denn Augenblicke später waren die Fyrd zurStelle. Wutentbrannt suchten sie die Umgebung ab. Dann aber trafen noch mehr Fyrd mit Gefangenen ein, und die Suche wurde abgebrochen. Katherine atmete erleichtert auf.
    Sie spähten nach draußen, um feststellen, was dort vor sich ging. Die Gefangenen mussten sich neben dem Kahn in einer Reihe aufstellen. Einer nach dem anderen wurden sie exekutiert. Mit Armbrüsten erschossen, mit Messern erstochen, mit Knüppeln erschlagen. Anschließend wurden ihre Leichen auf den Kahn geworfen.
    Katherine und Arthur zogen die Köpfe ein und hielten sich die Ohren zu, damit sie die Schreie der Opfer und das Grunzen und Gelächter ihrer Henker nicht hören mussten.

75
NACH DEM MASSAKER
    D ie Tunnel unter der alten Curzon Street sind in der Dämmerung kein Ort für die Lebenden. Im ersten Licht bieten sie ein Bild des Verfalls und der Fäulnis. Übelriechende Schlammpfützen versperren den Weg durch Gänge, in die seit Jahrzehnten kein Mensch mehr einen Fuß gesetzt hat. Bis zur Unkenntlichkeit verweste Tierkadaver sind vom Regen herabgespült worden … und es gibt Ratten, Unmengen von Ratten, die von ihren nächtlichen Raubzügen in der verschwenderischen Menschenwelt zurückkehren.
    Katherine erwachte, als sie das Gleiten ihrer Schwänze und das Kratzen ihre Füße auf den nackten Beinen spürte.
    Sie schrie nicht. Sie setzte sich einfach nur auf, den stumpfen Blick auf den Lichtstrahl gerichtet, der durch den Gully weit über ihr in den Gang fiel, fassungslos und bis ins Innerste erschüttert.
    »Arthur«, sagte sie mit hohler Stimme.
    Die Ratten waren auch auf ihm, oder besser gesagt, huschten über ihn hinweg, dem größeren Tunnel zu, aus dem Arthur und sie am Abend zuvor auf der Flucht vor den Fyrd heraufgeklettert waren. Auch er zeigte kaum eine Regung, als er erwachte.
    »Du lieber Himmel«, sagte er, und dann kopfschüttelnd noch einmal: »Du lieber Himmel.«
    Katherine saß reglos da, zu keinem Wort fähig.
    Arthur griff zu ihr herüber. »Es tut mir sehr leid, dass du das mit ansehen und mit anhören musstest. Wirklich sehr leid …«
    Der Vorfall, dessen stumme Zeugen sie geworden waren, hatte bereits ihrer beider Leben verändert. Die Unschuld war verloren, und Katherine schien über Nacht gealtert.
    Sie warteten eine Stunde, hielten nach Fyrd Ausschau, lauschten angestrengt auf etwaige Geräusche. Es blieb still, und als sie sich endlichaus dem Versteck wagten, war der Lastkahn mit seiner grausigen Fracht fort.
    »Wie gehen den Weg zurück, den wir gekommen sind, und versuchen, dorthin zu gelangen, wo ich dich ursprünglich hinbringen wollte.«
    »Ich möchte zu Jack.«
    »Er ist bei Leuten, die erfahren werden, wo wir sind. Sobald er zu uns stößt, können wir fort und reden …«
    Katherine nahm im Gehen kaum etwas wahr.
    »Ich möchte bloß keinen Tomtern begegnen«, sagte sie.
    »Die gibt es doch gar nicht«, erwidert Arthur.
    »Oh doch!«, widersprach Katherine. »Wohin gehen wir?«
    »Zu einem Ort, den nur sehr wenige jemals zu sehen bekommen, einem außergewöhnlichen Ort, erschaffen von einem Genie, wie selbst die Menschheit nur selten eines gesehen hat. Dort erwartet uns jemand, mit dem ich dich bekanntmachen möchte.«
    Katherine konnte die Gänge, die sie durcheilten, die Treppen, die sie erklommen, die dicken Röhren und Träger, unter denen sie durchkrochen, die leeren, spinnwebenverhangenen und von Oberlichtern erhellten Keller, durch die sie kamen, nicht mehr zählen.
    Schließlich nahm Arthur sie am Arm und hielt auf einen breiten, aus Ziegeln gemauerten Pfeiler zu.
    »Bleib dicht bei mir«, sagte er, »hier kann man leicht stolpern.«
    Ganz vorsichtig setzten sie einen Fuß vor der anderen, denn auf den letzten Metern ging es links und rechts in die Tiefe.
    Sie gelangten an eine Art Tor. Arthur zog es beiseite und öffnete dahinter eine dunkle Tür, dann bugsierte er sie in einen engen Raum, dessen Fußboden unter ihren Füßen wackelte.
    »Wo sind wir?«
    »In einem Lift.«
    Er schloss die äußere und die innere Tür und zog an einem Hebel. Ruckelnd setzte sich der Lift in Bewegung.
    »Halt dich fest«, mahnte er in der stockfinsteren Nacht.
    Der Lift fuhr ziemlich schnell,

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