Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
senkt das Kinn und durchbohrt mich mit seinem finsteren Blick.
Eine Windböe peitscht mir in den Rücken. »Du hast den Ritter gebeten, Pastor Riis zu töten, nicht wahr? Du hast ihm sein erstes Opfer gezeigt.«
Nico antwortet nicht sofort, sondern starrt mich an. »MeinerErfahrung nach, Benjamin«, sagt er schließlich, »kann man einen Mann nicht dazu bringen, etwas zu tun, was er insgeheim nicht sowieso schon tun will.«
Ich wende mich ab und versuche, mir den Rest zu denken. Riis war also nur eine Übung. Als dann die Nachahmungsmorde begannen, traf es zuerst den Geistlichen von St. John’s und dann Pastor Frick von der Foundry Church. Beide haben mit dem Präsidenten geredet, aber beide haben auch unter Riis studiert. Wenn das alles miteinander zusammenhängt … »Nico, hat der Ritter so die anderen Opfer gefunden? Es hat mit Riis angefangen und führt dann zu …«
»Du konzentrierst dich nur auf die Lämmer. Sieh dir auch die Orte an. Sieh dir die Tempel an, sieh dir an, worauf er hinarbeitet. Es ist ein Akt Gottes.«
»Warum? Weil er glaubt, dass er die Kirche beschützt?«
»Das behauptest du. Du behauptest ständig, dass sie auf diesen Spielkarten die Kirche beschützen. Aber du vergisst die wahre Mission von Vignolles und seinen heiligen Rittern. Von Anfang an haben diese Ritter nicht nur einfach die Kirche beschützt. Sie haben das größte Geheimnis der Kirche beschützt.«
»Und was ist das für ein Geheimnis?«
Nico legt den Kopf auf die Seite und sieht mich an, als würde ich immer noch behaupten, die Erde sei eine Scheibe. »Ist das nicht völlig offensichtlich, Benjamin? Sie hüten den wahren Namen Gottes.«
76. KAPITEL
Am Anfang hatte der Ritter ebenfalls Zweifel. Wie hätte es auch anders sein können?
Selbst jetzt noch, als er langsam durch den Krankenhausgang zu der Kapelle am anderen Ende ging, dachte er an jenen Augenblick zurück, als er die Geschichte das erste Mal gehört hatte, die Geschichte über den wahren Namen Gottes. Über das, was wirklich passiert war, gab es keinerlei Unstimmigkeiten. Ebenso wenig darüber, dass es im Laufe der Geschichte immer und immer wieder geschehen ist.
Bei den Juden wird der wahre Name Gottes nur einmal in jedem Jahr ausgesprochen, und zwar vom Hohepriester im Tempel. Um diesen Namen zu beschützen, benutzen die Hebräer die vier Konsonanten des hebräischen Namens für Gott, YHWH. Sie sagen, die Vokale sollten verborgen bleiben, damit der wahre Name niemals ausgesprochen werden konnte. Um ihn noch besser zu beschützen, ersetzten sie ihn später durch den Namen Adonai , was Herr bedeutet. In der christlichen Bibel gab Gott Jesus den »Namen aller Namen«, erst der Gesalbte , dann Christus , dann Jesus Christus , dann Herr und YHWH . In der muslimischen Religion wird Gott Allah genannt, und es heißt, Gott habe neunundneunzig Namen. Wer alle Namen Gottes kennt, geht ins Paradies ein.
Dieses Thema erwies sich im Laufe der Geschichte als so brisant, dass erst im Jahre 2008 der Vatikan eine Doktrin erließ, die besagte, dass, wenn man den Namen Gottes nennen wollte, der Name Jahwe nicht mehr in Liedern oder Gebeten benutzt oder ausgesprochen werden dürfte.
Es war diese essenzielle Frage, die dem Ritter einfach keine Ruhe ließ. Welche Macht konnte der Name Gottes tatsächlich beinhalten, wenn alle drei Religionen ihn immer noch mit so viel Ehrfurcht behandelten,und das bis zum heutigen Tag? Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich Dutzende von Theorien. Die alten Ärzte nahmen an, man könnte die Kranken heilen, indem man Gottes wahren Namen aussprach. Frühe Zauberbücher behaupteten, den Namen Gottes auszusprechen, würde ungeheure Macht freisetzen. Exorzisten und Mystiker verkündeten, dass jeder, der den Namen Gottes aussprechen konnte, in der Lage war, Gott selbst zu beherrschen.
Selbst der Ritter wusste, dass das verrückt war. So wie sein Vorgänger aus dem fünfzehnten Jahrhundert, Étienne de Vignolles, der Auserwählte, der Heilige Ritter, gewusst hatte, dass der wahre Name Gottes nichts mit magischen Kräften oder mystischen Übertreibungen zu tun hatte.
Dennoch, durch die Jahrhunderte und in allen Religionen gab es immer welche, die versuchten, Macht zu erlangen, indem sie behaupteten, sie würden Gottes wahren Namen kennen. Aber wie Vignolles herausfand, der ja sowohl das Vertrauen der Kirche als auch das des Königs genoss, kam große Macht eben nicht daher, dass man den Namen Gottes kannte.
Große Macht kam daher, dass man
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