Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
wie du mich ansiehst, Benjamin. Du willst unbedingt, dass ich die Ursache von alldem bin. Aber was der Ritter tut, der Weg, den er geht, das alles ist nicht mein Werk. Es existiert schon seit Jahrhunderten.«
»Das stimmt.« Ich nicke. Nico ist nicht einfach nur der große Zampano aller Verschwörungstheoretiker und alternativer Geschichtsschreiber. Er hat einmal auf einen Präsidenten geschossen, um die Welt vor den bösen Freimaurern zu retten. Es ist nicht schwer, ihn dazu zu bringen, weiterzureden. »Wir wissen von den Rittern des Goldenen Zirkels«, sage ich. »Und wir wissen auch, wie die ersten Ritter, die heiligen Ritter, die Symbole von Spielkarten benutzt haben, um ihre Loyalität zur Kirche zu verbergen.«
»Dann weißt du auch, wie mächtig ihr Vermächtnis ist«, sagt er. Jetzt ist er voll bei der Sache. »1994 hat ein Mann namens Francisco Martin Duran versucht, Präsident Bill Clinton zu töten, indem er neunundzwanzig Schüsse auf das Weiße Haus abgegeben hat. Aber wusstest du, dass er auf seiner Fahrt von Colorado nach Washington in Dallas, Texas, Zwischenstation gemacht und am Book Depository vorbeigefahren ist? Als er nach D. C. kam, ist er im Hilton Hotel abgestiegen, wo John Hinckley auf Reagan geschossen hat. Für die, die sehen können, ist der Weg klar«, fährt er fort. Er starrt immer noch Clementinean und blinzelt heftiger als zuvor. »Und wenn du die Karte siehst … Hast du die Landkarte gesehen?«
Sie schüttelt den Kopf und tritt einen kleinen Schritt zurück. Sie weiß, was passiert, wenn Nico sich zu sehr aufregt.
»Sieh dir die Karte an, jede beliebige Karte«, fährt er fort und umklammert den Schal, den er sich um den Hals gelegt hat. »John Wilkes Booth wurde in Bel Air, Maryland, geboren. Guiteau in Freeport, Illinois. Czolgosz in Detroit, Michigan. Und Oswald in New Orleans, Louisiana. Wenn der nächste Attentäter im nördlichen Florida geboren wurde, dann ergeben diese fünf Geburtsorte, falls man gerade Linien zwischen ihnen zieht …«
Er nimmt etwas aus der Gesäßtasche. Es ist keine Brieftasche, sondern ein dicker Stapel mit gefalteten Papieren, die von einem Gummiband zusammengehalten werden. Nico zieht das Gummi ab und blättert den Stapel durch. Dann hält er ein Blatt hoch. »Diese Geburtsorte bilden das hier!«
»Siehst du das, Benjamin? Ein Pentagramm. Ein Pentagramm über ganz Amerika!«
Clementine neben mir tritt noch einen Schritt zurück. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich übersehe irgendetwas.
»Nico, bist du in Florida geboren?«, frage ich ihn.
Er knirscht mit den Zähnen, um Luft zu holen, und sieht auf den Wachmann in der Ferne. Dann betrachtet er zwei Eichhörnchen, diesich neben uns um den Stamm eines Baumes jagen. Sie bewegen sich so schnell, dass sie nicht einmal Fußabdrücke im Schnee hinterlassen.
»Es spielt keine Rolle, wo ich geboren wurde«, knurrt Nico. »Jetzt ist der Ritter dran. Er weiß alles, was ich getan habe. Aber jetzt, wo ich sehe, was er mir gezeigt hat … allein schon diese Karte. Ich kannte ja nur die Spitze des Eisbergs.«
»Jetzt bin ich verwirrt«, mischt sich Clementine ein. »Wenn der Ritter das alles tut, ist dann seine Mission so anders als deine?«
»Jetzt verstehst du, stimmt’s? Jetzt weißt du, warum er nicht aufgehalten werden kann. Meine Mission war egoistisch. Alles, was ich tat, habe ich nur für meine eigenen Ziele getan. Aber was der Ritter macht … Hast du sein erstes Opfer gesehen? Allein, dass Pastor Riis sein erstes Lamm wurde …«
Mir zieht sich der Magen zusammen, als er den Namen unseres alten Pastors aus Wisconsin ausspricht. Marshall hat mir gesagt, er würde Riis’ Tod untersuchen. Aber ich erinnere mich vor allem noch an diese Nacht im Keller des Pastors, damals, als wir klein waren. Wenige Wochen später hatte man Riis aus der Stadt gejagt. Und Marshalls Mutter hatte sich eine Pistole in den Mund gesteckt und abgedrückt.
»Nico, wenn du weißt, dass Marshall das alles tut …«
Nico packt seine selbst gefertigte Karte wieder zusammen und stopft sie zurück in seine Hosentasche.
»Wenn du Marshall beschützt oder ihn deckst …«, setze ich erneut an.
»Ich sagte dir doch, Benjamin, ich habe den Ritter noch nie gesehen. Er ist zu klug, um persönlich zu kommen. Aber eines weiß ich: Im Fall von Pastor Riis weiß der Ritter den Wert einer guten Tat für andere zu schätzen. Und er beweist seine Loyalität.«
»Loyalität wem gegenüber?«
Nico antwortet nicht, sondern
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