Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
durch das Hightech-Lesegerät. Als das Garagentor langsam hochfuhr, fegte eine kalte Windböe durch die Notaufnahme. Das Sonnenlicht blendete Nico, als er nach draußen schlenderte. Es spielte jedoch keine Rolle. Er wusste genau, wohin er gehen musste, während er sich einen Schlüssel zwischen die Knöchel seiner Faust klemmte.
94. KAPITEL
Eine Stunde später
»Biegen Sie hier rechts ab«, befahl Palmiotti.
»Sind Sie sicher?« Ich spähe durch die Windschutzscheibe und betrachte die namenlose Abzweigung.
»Ja. Ich bin mir sicher. Hier«, erklärt Palmiotti.
Ich reiße das Lenkrad herum. Fast hätte ich die Abzweigung verpasst. Aber ich habe festgestellt, dass alles in diesem Park leicht zu verpassen ist. Während wir uns den Berg hinaufkämpfen, stelle ich fest, dass es keinerlei Warnschilder gibt, keine Wegweiser, nicht einmal eines dieser rautenförmigen Schilder, auf denen steht »Zutritt nur für befugte Personen«. Camp David ist offenbar deshalb so geheim, weil man gar keine Chance hat, es zu finden, wenn man nicht weiß, wo es ist.
»Und hier wieder rechts«, sagt Palmiotti, bevor wir auf eine weitere schmale Straße abbiegen, die genauso perfekt asphaltiert ist wie die zuvor. Der Schnee ist peinlich genau zur Seite geräumt. Keine Frage, Palmiotti weiß, wohin er will.
Camp David wurde im Jahr 1938 als Sommerlager für Staatsangestellte errichtet. Es geriet zum ersten Mal in das Blickfeld des Präsidenten, als die Ärzte von Franklin D. Roosevelt erklärten, im Weißen Haus sei es zu heiß für ihn. Der Präsident benötige einen Erholungsort mit kühlerem Wetter. Als sich seine Mitarbeiter umsahen, stellten sie fest, dass es in diesem Camp wegen seiner hohen Lage immer zehn Grad kühler war als in der Mitte von D. C. Augenblicklich büßten die Staatsangestellten ihr Sommerlager ein, und FDR bekam etwas, was er »Shangri-La« nannte, nach einem Berg-Königreich aus einem seiner Lieblingsromane.
Es überraschte niemanden, dass Eisenhower dieses Camp ebenfalls liebte, als er die Präsidentschaft übernahm. Aber er hasste den Namenund taufte das Lager wieder um, benannte es nach seinem Enkel David. Mittlerweile ist Camp David weit mehr als das Wochenendhaus des jeweiligen Präsidenten. In der heutigen Welt ist es so ziemlich der einzige Ort, wo der Präsident der Vereinigten Staaten das Chaos seines Lebens wirklich und wahrhaftig hinter sich lassen kann.
Nachdem er es für sich konfisziert hatte, machte Roosevelt zweiundzwanzig Ausflüge nach Camp David. Ronald Reagan fuhr einhundertsiebenundachtzig Mal hierhin. Das lag nicht nur daran, dass die Benutzung eines Helikopters die Reise hierhin wesentlich einfacher machte oder weil es hier einen Golfplatz gab, ein Kino, einen Swimmingpool und eine Bowlingbahn. Das herausstechendste Merkmal an Camp David ist für alle Präsidenten dasselbe: Es ist keine Presse zugelassen.
Als Bill Clinton das Amt übernahm, sagte er, seine Allergien hinderten ihn daran, Camp David zu besuchen. Als er jedoch hörte, dass die Presse dort nicht zugelassen war, war er plötzlich von seinen Allergien geheilt. Weder für Barack Obama noch für George W. Bush war das anders. Letzterer verbrachte insgesamt mehr als ein Jahr hier oben, wo ihn niemand beobachten konnte.
So gut wie niemand, jedenfalls.
Die leere Straße vor uns wurde wieder gerade. Aber als wir uns einem Waldstück mit besonders hohen Bäumen nähern, wird die Sonne von den Wipfeln verschluckt, und lange Schatten legen sich auf uns. Innerhalb von Sekunden sind meine Ohren so kalt, dass sie schmerzen. Aber erst als ich nach links sehe, wird mir richtig kalt.
Ich bemerke ihn sofort, im Wald, unmittelbar hinter der ersten Baumreihe. Ein hoher Metallzaun. Maschendraht. Und mit brauner Folie überzogen, damit er sich in den Wald einfügt.
Ich bremse, um ihn mir genauer anzusehen. Laut Palmiotti umschließen drei verschiedene Zäune die einhundertachtzig Morgen Wald von Camp David. Abgesehen von den Marines, den Parkwächtern und natürlich dem Secret Service. Dass wir also diesen ersten Zaun überhaupt erreicht haben, bedeutet …
»Wir sind ganz in der Nähe, oder?«, frage ich Palmiotti.
Er antwortet nicht.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Noch fünfundzwanzig Minuten.
Ich drehe mich zu Palmiotti herum, der erneut in den Rückspiegel blickt. Aber diesmal zieht er die Augenbrauen zusammen. Er sieht eindeutig …
Ich zuckte heftig zusammen, als jemand an das Fahrerfenster klopft. Gleichzeitig sehe ich
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