Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
ein Heft schnappten.
Innerhalb von zwanzig Minuten war das Baumhaus wieder vollkommen überfüllt. Es waren mehr Jungs dort als bei der Einweihung vor fast einem Jahr. Gute Neuigkeiten verbreiten sich immer rasend schnell. Aber der Besitz von Pornos in der Pubertät? Diese Nachricht verbreitete sich mit Lichtgeschwindigkeit.
»Marshmallow, du bist echt durchgeknallt!«, verkündete Paglinnis bester Freund, ein dürrer Rothaariger namens Paul Mackles, während er ein Exemplar von High Society durchblättert. Es war das erste Mal seit zwölf Jahren, dass Mackles überhaupt mit Marshall gesprochen hatte.
96. KAPITEL
Heute
Camp David
Der Agent mit den kleinen Ohren sagt kein einziges Wort zu uns.
Stattdessen bedeutet er mir mit einem Handzeichen, meine Arme seitlich auszustrecken. Dann fährt er mit einem Metalldetektor meine Beine hoch und runter, auch hinten, und untersucht meinen Rücken. Er ist der zweite Wächter, der mich überprüft.
Der erste erwartete uns am Eingang von Camp David. Diese Wachleute sprachen kein Wort mit uns, nicht einmal, als ich ihnen erzählte, dass jemand in zwanzig Minuten versuchen würde, den Präsidenten zu töten. Sie sahen Palmiotti nur an und warfen sich dann gegenseitig einen Blick zu. Bei Problemen dieser Größenordnung wurden die Entscheidungen an anderer Stelle getroffen.
Dann fuhr uns der Agent mit den kleinen Ohren in einem aufgemotzten Golfwagen mit Geländereifen zwischen den Bäumen auf einem Schotterweg zu unserem derzeitigen Aufenthaltsort. Ein bescheidenes Blockhaus im Ranchstil mit frisch lackierten Fensterläden. An der Eingangstür steht keine Hausnummer, sondern es hängt dort ein geschnitztes Holzschild, auf dem Ulme steht.
Ich weiß, wo wir sind. Nahezu jedes Blockhaus in Camp David ist nach einem Baum benannt. Lorbeer, Walnuss, Buche, Hartriegel. In Ulme hat der Kommandoposten des Secret Service seine Zentrale. Das bedeutet …
Ich werfe einen Blick über die Schulter. In allen möglichen Richtungen sehe ich noch weitere Blockhäuser. Das ganze Gelände sieht aus wie ein Pfadfinderlager. Aber quer über das schneebedeckte Feld habe ich einen unverstellten Blick auf ein größeres Blockhaus. Ein rustikaler, aber eleganter Bungalow im California-Stil mit einem niedrigen Giebeldach, einem großen gemauerten Schornstein und ebenfalls großen, kugelsicheren Fenstern. Selbst ohne die vier Agenten in Wintermänteln,die auf der Vordertreppe stehen, gibt es keinen Zweifel, dass dies das Blockhaus namens Espe ist. Das Haus des Präsidenten.
»Man wird versuchen, Wallace umzubringen. In exakt siebzehn Minuten«, sage ich dem Agenten im Pullover, der Palmiotti beobachtet.
»Stewie, sagen Sie ihm, er soll die Klappe halten«, warnt mich der Agent mit den kleinen Ohren. Er streicht jetzt mit dem Metalldetektor über die Vorderseite meiner Beine, in Richtung meiner Brust.
»Beecher, lassen Sie die Leute ihren Job machen. Sie werden uns schon sagen, mit wem wir sprechen müssen«, erklärt Palmiotti, während Kleinohr meine Schultern packt und mich zu sich herumdreht, weg von dem Blockhaus des Präsidenten.
Der Detektor piept, als er über meine Brust fährt. Der andere Agent, ein großer Moslem, zieht seine Waffe und richtet sie auf mein Herz. In der Ferne sehe ich zwischen den kahlen Bäumen, wie zwei Scharfschützen, einer auf dem Dach einer Blockhütte, der andere in einem Baum, wie aus dem Nichts auftauchen.
»Wow … Moment, es ist nur ein Schlüssel. Nur ein Schlüssel!« Ich ziehe den alten Schlüssel heraus, den ich an einem Band um den Hals trage. Der Moslem senkt seine Waffe. Aber niemand entspannt sich. Und die Scharfschützen bleiben, wo sie sind.
Es gibt ein lautes Fiepen, als der Detektor bis zu meinem Kinn fährt. Überprüfung abgeschlossen.
»Sie sollten ihn auch scannen.« Ich deute auf Palmiotti. Ich will kein Risiko eingehen. Er mag hilfreich gewesen sein, weil er uns hergebracht hat, doch das bedeutet nicht, dass ich ihm vertraue.
Palmiotti hebt die Hände, weil er weiß, dass der Secret-Service-Agent dasselbe denkt. Aber erst als der Agent auf Palmiotti zutritt und das summende Gerät von meinen Ohren wegnimmt, wird mir klar, wie ruhig es hier ist. Und wie alleine wir hier sind.
Ich verlagere mein Gewicht und höre, wie die Kiesel unter meinen Füßen knirschen. In der Luft liegt ein Summen, wie man es häufig auf irgendwelchen Campingplätzen hört, und in der Ferne kreischt ein Vogel. Ich sehe mich um, es gibt keine Angestellten, keine
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