Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
langsam die Aufzüge in dem neuen Gebäude wären.
»Nico, wenn sie dich sehen …«
Nico wurde nicht einmal langsamer. Er ging einfach weiter. Sicher, die Pfleger waren in der Nähe, aber Nico wusste, dass sie den Hauptgang niemals verlassen würden. Warum auch? Nachdem die Sache einmal ins Rollen gekommen war. Hätte Gott sie wirklich so weit geführt, um sie jetzt durch etwas so Banales aufzuhalten?
Und richtig, ebenso schnell, wie die Pfleger aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder. Ihre Stimmen verhallten in der Ferne.
» Alles klar! Schnell, beeil dich!« Die First Lady winkte ihn in den Hauptgang.
Doch diesmal blieb Nico stehen.
»Nico, worauf wartest du? Weißt du nicht, wo wir sind?«
Nico wusste ganz genau, wo sie waren. Er hatte das neue Gebäude jetzt seit zwei Tagen genauestens untersucht, seit sie hier angekommen waren. Als sie gestern zum Labyrinth gegangen waren, hatte er sich die beweglichen Kameras gemerkt und die Schleusentüren, die jedes Schwesternzimmer sicherten. Auf dem Weg zurück von der Bibliothek hatte er sich gemerkt, bei welchen Eingängen man nur seine Karte durchziehen und bei welchen man sowohl die Karte durchziehen als auch eine Nummer eintippen musste. Als er heute Morgen hinausgegangen war, um sich mit Beecher zu treffen, hatte er drei Wachen am Hauptempfang gezählt, aber nur zwei beim Besuchereingang.
Nico hatte sogar noch zusätzliche zwanzig Minuten im TLZ verbracht und so getan, als würde er ausprobieren, wie man eine Waschmaschine und einen Wäschetrockner benutzt. So konnte er zuhören, wie die Schwestern prahlten, dass jetzt drei Sicherheitsstufen auch den rückwärtigen Teil des Gebäudes und sämtliche Patientenzimmer einschlossen. Die erste Stufe befand sich an den äußeren Feuertüren. Es war ein stiller Alarm, sodass keiner der anderen Patienten mitbekommen würde, dass etwas nicht stimmte. Die zweite Stufe war ein dünner Drahtzaun, der horizontal mit dem Boden verlief. Ja, er war leicht zu überklettern, aber sobald man ihn berührte, spürte ein verborgener optischer Fiberdraht die Gewichtsveränderung und sorgte dafür, dass die nächste Kamera sich auf die Stelle einzoomte. Und sollte es einem tatsächlich gelingen, auch diese Stufe zu überwinden, war die dritte Stufe ein sieben Meter hoher, feiner Maschendrahtzaun, der nicht erklommen werden konnte. Die Maschen waren so eng, dass keine menschlichen Finger hineinpassten. In der Armee hatte Nico gelernt, wie man so etwas überwand. Man schnappte sich zwei Schraubenzieher, bohrte sie in den Zaun und kletterte damit bis zur Spitze hoch. Aber warum sollte er das Risiko eingehen, über einen Zaun zu steigen, wenn er ganz einfach durch die Nebentür hinausspazieren konnte?
Vor ihm bog der Flur nach rechts ab. Dahinter lagen der brandneue u-förmige Empfangstresen und die Schwingtüren, die zur Laderampeführten. Hier war er gestern gewesen. Heute jedoch stand eine der beiden Doppeltüren auf und war mit einem Papierkorb blockiert.
» Nico, worauf wartest du?« , fragte die First Lady. »Das ist unser Fluchtweg!«
Wie schon zuvor blieb Nico einfach stehen.
»Ich höre dich atmen«, verkündete er.
Die First Lady sah sich um. » Nico, mit wem redest du?«
»Ich weiß, dass du hier bist«, fuhr Nico fort. »Ich höre dich. Du weißt, dass ich alles hören kann.«
Auf der anderen Seite der Halle, jenseits des u-förmigen Empfangstresens bewegte sich ein Schatten in der Tür eines Raumes, der ein Badezimmer zu sein schien. In Wirklichkeit war es jedoch eine Dusche, in der Patienten entlaust wurden. Nico wusste, wer sich dort versteckte. Es war der Freund, der den leuchtend roten Faden ausgelegt hatte und der immer auf ihn aufpasste.
»Dr. Gosling, ich möchte, dass Sie jetzt da rauskommen«, sagte Nico.
Der Schatten bewegte sich wortlos, und Pfleger Rupert trat in den Gang.
Nico blinzelte mehrmals und legte dann den Kopf verwirrt auf die Seite.
»Du bist nicht Dr. Gosling«, sagte Nico.
»Nico, bitte mach es nicht schwieriger, als es ohnehin schon ist«, bat ihn Rupert. »Willst du jetzt fliehen oder nicht?«
93. KAPITEL
»Wir müssen uns beeilen«, drängte Rupert.
»Aber wie kann das sein? Es ergibt nicht einmal …« Nico versuchte, die Worte auszusprechen, während er Rupert anstarrte. »Dr. Gosling hat mir immer die Bücher gegeben, und er war in meinem Zimmer …«
»Es wird Zeit zu gehen«, erklärte Rupert.
»Aber ich habe gesehen, wie Gosling mir die Nadel in den Schenkel
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