Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
flackernden Fernsehgerät nur schwach erleuchtete Wohnzimmer trat, war Marshall überhaupt nicht wütend. Nein, er schluckte und spürte, wie seine Zunge an seinem Gaumen klebte. Marshall machte sich Sorgen. Er war verwirrt. Diese Geräusche, die seine Mutter machte …
Er wollte nur sichergehen, dass es ihr gutging.
»Mom, geht es dir …?«
Als Marshall um die Ecke bog, war sein Mund noch zum Sprechen geöffnet. Das Erste, was er registrierte, waren zwei angezündete Kerzen, die nebeneinander auf dem kleinen Couchtisch standen. Neben dem Sofa mit dem Blumenmuster. Deshalb war es so dämmrig in dem Raum.
Aber als Marshall eintrat, sah er mehr als nur den kleinen Couchtisch. Er sah das Sofa. Und wer sich darauf befand.
Marshall erstarrte. Zuerst sah er ihren nackten Rücken und das Muttermal unmittelbar unter ihrem linken Schulterblatt. Sie trug kein Oberteil. Aber was ihn völlig verwirrte, waren die beiden Arme, die sich um den Hals seiner Mutter schlangen. Jemand umarmte sie. Jemand mit frisch lackierten, pinkfarbenen Fingernägeln. Und blassen Brüsten.
»Mrs. Riis …?«, stammelte Marshall und starrte die Frau an, die alle Cricket nannten.
»Cherise, runter …!«, stieß die Frau des Pastors hervor und schob Marshalls Mutter zur Seite.
»Mom … Was machst du …? Was macht ihr da?«
Seine Mutter drehte sich auf dem Sofa herum und sah ihn an, während sie gleichzeitig versuchte, ihre nackten Brüste mit ihren Händen zu bedecken. Sie sahen sich an, Mutter und Sohn, beide mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, ein Gefühl, das sich allmählich veränderte …
»Was machst du denn hier? Verschwinde!«, schrie seine Mom und rutschte halb vom Sofa herunter, drehte sich um und griff blindlings nach ihrer Kleidung, um sich zu bedecken. Sie war nackt. Ebenso nackt wie die Frau von Pastor Riis.
»Du hast das nicht gesehen! Hast du verstanden? Du hast das hier nicht gesehen!« Einen solchen Ton hatte Marshall bei seiner Mutter noch nie gehört.
»Schaff ihn hier weg!«, kreischte die Frau des Pastors, während sie versuchte, sich mit einem Sofakissen zu bedecken.
Marshall versuchte es, er wollte sich umdrehen und weglaufen. Aber seine Füße schienen auf dem Teppich festzukleben. Tränen traten ihm in die Augen.
»O Gott, wir sind erledigt …«, flüsterte die Frau des Pastors und begann zu weinen.
»Du hast das nicht gesehen!« Seine Mutter stürzte zu ihm, während sie sich ihre Bluse mit einer Hand gegen die Brust drückte. Mit der anderen versuchte sie ungeschickt, ihren Rock anzuziehen.
Marshall stand einfach nur da, vollkommen entsetzt, als er einen kurzen Blick auf das Schamhaar seiner Mutter erhaschte.
»Sie werden uns Missgeburten schimpfen! Wir sind Missgeburten!«, schluchzte die Frau des Pastors.
»Hat dein Vater dich hergeschickt?«, schrie seine Mutter, während sie hastig ihre Bluse überwarf und ihren BH sowie den zitronengelben Blazer vom Boden aufhob.
»Nein, ich …«
»Es ist in Ordnung. Alles wird gut«, erklärte seine Mutter. Ihre Stimme wurde weicher, klang jedoch immer noch gehetzt. »Wir fahren nach Hause, und alles wird gut.«
Sie packte Marshall am Hemdkragen, drehte ihn herum und schob ihn in den Flur, zur Haustür.
»Du hast das nicht gesehen«, wiederholte sie, während sie immer noch ihren Büstenhalter gegen ihre Brust drückte. »Wenn du das nicht gesehen hast, wenn dein Vater nichts davon erfährt, dann wird alles gut.«
»Dad hat doch gar nichts gemacht!«, flehte Marshall. Er weinte und stolperte durch den Flur, kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Der Blazer seiner Mutter fiel zu Boden. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, ihn aufzuheben.
An der Haustür ließ Marshalls Mutter ihn die drei Sekunden los, die sie brauchte, um den Türknauf zu drehen. »Lauf nicht weg! Komm her«, sagte sie und griff wieder nach ihm. »Alles wird gut …«
Sie redete immer noch, als die Tür endlich aufging und sie beide in das gelbe Licht auf der Veranda getaucht wurden. Dann stürmten sie die Treppe hinab in die warme Nacht. Marshalls Mutter hielt ihren Sohn so fest am Kragen mit der einen und ihren Büstenhalter immer noch mit der anderen Hand, dass sie nicht bemerkte, dass Beecher und Paglinni auf der Auffahrt standen und alles beobachteten.
108. KAPITEL
Zwei Minuten früher
Washington, D. C.
Der Ritter überstürzte nichts.
Er war geduldig, hielt den Kopf gesenkt und tat, als sähe er auf seine Armbanduhr, als sich die Türen des Aufzugs
Weitere Kostenlose Bücher