Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
abzutelefonieren, wo der junge Verwaltungsassistent, der den Anruf entgegennahm, zufällig bemerkte, dass die Todeszeit genau 12:30 Uhr betrug. Für die meisten Leute bedeutete das nicht viel. Aber für diesen Assistenten war es wie ein Fanfarenstoß. Er war ein begeisterter Anhänger von Verschwörungstheorien, die den Mord an JFK angehen. Er wusste nicht nur, dass 12:30 Uhr der genaue Zeitpunkt war, zu dem auf Präsident Kennedy geschossen worden war, sondern auch, dass ein 6.5-Millimeter-Stahlmantelgeschoss genau 265 Fuß weit geflogen war und von …«
»Lee Harvey Oswald abgefeuert worden war«, sage ich und stelle ein Buch auf das oberste Regal.
»Aus einer Ahnung heraus nahm der neugierige Assistent Nicos Schrank unter die Lupe. Und seine Habseligkeiten. Alles war sauber. Bis sie mit einem Metalldetektor seine Matratze untersuchten und tief in der Matratze ein Militärgewehr fanden, einen Mannlicher-Carcano-Selbstlader.«
Jetzt nicke ich. Das ist das Gewehr, das Oswald bei dem Attentat auf JFK benutzt hat. Meine Gedanken überschlagen sich, während ich an unseren Killer denke, der zurzeit Pfarrer und Pastoren tötet. Aber das erklärt noch nicht …
»Warum haben sie Nico überhaupt laufen lassen?«, erkundige ich mich. »Wenn sie wussten, dass er es gewesen ist, wieso haben sie es niemandem erzählt? Oder ihn verhaftet?«
»Weißt du, wofür die Navy die Charleston-Marinewerft benutzt hat, als sie noch in Betrieb war?«
»Ich nehme an, um unsere Schiffe zu reparieren?«
»Ja, natürlich haben wir dort unsere Schiffe repariert. Und wenn diese Schiffe und U-Boote dort waren, wurden sie auch gesäubert, aufgerüstet und gewartet. Aber laut Dr. Yoo gab es dort auch etwas, das man die Waffenstation nannte.«
»Wir haben einige ihrer Akten in den Archiven. Man hat dort die Waffensysteme der Schiffe aufgerüstet.«
»Auch das stimmt.« Clementine hat immer noch die Bücher auf dem Arm, die sie vom Boden aufgehoben hat. »Aber innerhalb der Waffenstation gab es eine Hierarchie. Einige Abteilungen kümmerten sich um die regulären Waffen. Andere waren für Nuklearwaffen zuständig. Und dann gab es noch die Untergruppe 6.«
»Untergruppe 6? Das klingt wie ein Fake-Name.«
»Er ist echt. Schlag ihn nach! Irgendwann wurde diese Gruppe von Admiral Thomas Coady geführt. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, mit Untergruppe 6 eine Waffe herzustellen, die noch gefährlicher ist als ein Atomsprengkopf.«
»Und das wäre?«
»Die ultimative Waffe, Beecher. Der Mensch.«
Clementine stellt die Bücher auf ein Regal in Brusthöhe.
»Du glaubst, dass unsere Väter daran gearbeitet haben?«, erkundige ich mich.
»Nein, ganz und gar nicht. Mein Dad, dein Dad und auch Marshalls Dad waren achtzehn oder neunzehn Jahre alte Soldaten, einfach Infanteristen. Die Untergruppe 6 hat keine Kinder angeheuert. Denk nach! Wenn du ein supergeheimes Team zusammenstellst, suchst du Leute aus, die du kennst. Veteranen mit Erfahrung. Dass Admiral Coady unsere Väter ins Boot geholt haben sollte, ist lächerlich, Beecher. Weißt du, wie sie einen Achtzehnjährigen nennen, der zu einer derart geheimen Sache abkommandiert wird? Man nennt solche Leute Versuchskaninchen . An ihnen hat man die Experimente durchgeführt.«
Ihre Worte durchstoßen die imaginäre Membrane, in die ich mich, ohne es zu merken, hülle, wenn sie in der Nähe ist. Ich benutze sie wie einen Schild. Aber als die Membrane reißt und die Realität hindurchströmt,gibt es kaum etwas Emotionaleres, als zu hören, wie sie über meinen toten Vater spricht. Und über die unaussprechlichen Dinge, die man ihm vermutlich angetan hat. Niemand möchte gern hören, dass sein Vater Schmerzen gelitten hat.
»Ich weiß, dass es ein Albtraum ist, Beecher. Für mich ist es das auch. Aber jetzt weißt du, warum sie nicht zulassen konnten, dass er verhaftet wurde. Was auch immer sie in Nico hineingespritzt haben, was auch immer sie in ihn investiert haben: Wenn ihre beste Laborratte plötzlich auf der Titelseite einer Zeitung als mörderischer Wahnsinniger auftaucht, der Lee Harvey Oswald kopiert, würden sich alle Blicke der Öffentlichkeit auf Untergruppe 6 richten. Und dieses Risiko wollte niemand eingehen.«
Ich blicke auf den Brief, den Abschiedsbrief, den ich immer noch in der Hand halte. »Du glaubst also, dass mein Dad deswegen gestorben ist? Wegen irgendeiner Militäraktion, die vertuscht werden musste?«
»Nein, das glaube ich nicht. Nach dem, was Dr. Yoo gesagt hat,
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