Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
aus.
    Irgendwo hatte er gehört, dass Wölfe nicht angriffen, wenn man sie anstarrte.
    Das Problem war: Er würde bald einschlafen. Er spürte, wie sich die Müdigkeit immer mehr in ihm ausdehnte. Er konnte nicht mehr richtig denken, und jeder Muskel schmerzte.
    Draußen ächzte der Wind. Und Seine Gnaden der Herzog von Ankh schlief ein.
    Er erwachte mit einem Schnaufen und, zu seiner großen Überraschung, mit allen Armen und Beinen. Ein kalter Tropfen, durch seine Körperwärme vom Schneedach über ihm geschmolzen, rann ihm über den Hals. Seine Muskeln schmerzten nicht mehr. Die meisten von ihnen konnte er überhaupt nicht mehr
fühlen.
    Und die Wölfe waren fort. Auf der gegenüberliegenden Seite des improvisierten Baus hatten Pfoten den Schnee zertreten. Licht strömte herein, so grell, dass Mumm stöhnte.
    Das Tageslicht kam von einem Himmel, der blauer war, als ihn Mumm jemals zuvor gesehen hatte, so blau, dass er im Zenit purpur zu werden schien. Er trat nach draußen in eine Welt, deren weißer Mantel knirschte und glänzte.
    Der Sonnenschein fühlte sich warm an, die Luft war kalt, und der Atem kondensierte.
    Eigentlich sollten Leute in der Nähe sein. Mumm wusste nicht genau über ländliche Dinge Bescheid, aber sollte es im Wald nicht Köhler, Holzfäller und… er versuchte, sich zu erinnern… kleine Mädchen geben, die ihrer Großmutter irgendetwas brachten? Die Geschichten, die Mumm als Kind gehört hatte, berichteten von Wäldern, in denen reger Betrieb herrschte und wo gelegentlich Schreie erklangen. Doch hier war alles still.
    Mumm schlug eine Richtung ein, die nach unten führte – das erschien ihm angemessen. Nahrung gewann jetzt immer mehr an Bedeutung. Er hatte noch zwei Streichhölzer und konnte ein Feuer anzünden, wenn er eine zweite Nacht in den Bergen verbringen musste, doch die Appetithäppchen beim Empfang lagen schon eine ganze Weile zurück.
    Hier stapft Ankh-Morpork über und durch den Schnee…
    Nach einer halben Stunde erreichte er ein kleines Tal, wo ein Bach zwischen zwei eisverkrusteten Ufern plätscherte. Dampf stieg auf.
    Das Wasser war warm.
    Mumm folgte dem Verlauf des Baches. An beiden Ufern verliefen Spuren von Tieren. Hier und dort sammelte sich das Wasser in tiefen Mulden und roch nach faulen Eiern. Gefrierender Dampf hatte die blattlosen Büsche in der Nähe mit Eis überzogen.
    Nahrung konnte warten. Mumm streifte die Kleidung ab und stieg in einen der tieferen Tümpel. Das Wasser war so heiß, dass er unwillkürlich aufschrie, aber dann streckte er sich darin aus.
    Gab es so etwas nicht oben in Nichtsfjord? Er hatte Geschichten gehört. Die Leute dort nahmen heiße Dampfbäder, und anschließend liefen sie durch den Schnee und schlugen sich gegenseitig mit Scheiten aus Birkenholz. Oder etwas in der Art. Auch wenn es noch so dämlich war – irgendein Ausländer war irgendwo damit befasst.
    Bei den Göttern, es fühlte sich
herrlich
an. Heißes Wasser bedeutete Zivilisation. Mumm spürte, wie die Wärme die Steifheit in seinen Muskeln schmelzen ließ.
    Nach einigen Minuten platschte er zum Ufer, kramte in seiner Kleidung und entdeckte schließlich ein zerdrücktes Zigarrenpäckchen. Nach den Ereignissen der vergangenen vierundzwanzig Stunden enthielt es einige Dinge, die wie fossile Zweige aussahen.
    Er hatte zwei Streichhölzer.
    Ach, und wenn schon. Jeder konnte mit einem Streichholz ein Feuer anzünden.
    Mumm streckte sich wieder im Wasser aus. Eine gute Entscheidung. Er spürte, wie er wieder zu sich selbst fand. Die Wärme gab ihm neue Kraft und vertrieb den Dunst der Benommenheit…
    »Ah, Euer Gnaden…«
    Wolf von Überwald saß am gegenüberliegenden Ufer. Er war splitternackt, und Dampf stieg von ihm auf, als hätte er gerade Sport getrieben. Seine Muskeln glänzten wie geölt – ein Eindruck, der vermutlich nicht täuschte.
    »Laufen im Schnee ist großartig, nicht wahr?«, sagte Wolf freundlich. »Du scheinst wirklich bemüht zu sein, dir die Traditionen von Überwald anzueignen, Euer Gnaden. Lady Sybil lebt, ist bei bester Gesundheit und kann zur Stadt zurückkehren, sobald die Pässe wieder frei sind. Es erleichtert dich sicher, das zu hören.«
    Andere Gestalten näherten sich durch den Wald, Männer und Frauen. Sie alle waren nackt und ebenso unbefangen wie Wolf.
    Mumm begriff, dass seine Stunde geschlagen hatte. Er sah es in Wolfs Augen. »Ein heißes Bad vor dem Frühstück tut wirklich gut«, sagte er.
    »Ah, ja. Auch wir haben noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher