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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zur Seite, und dann wurde Mumm in knietiefem Schnee abgesetzt.
    »Eine der besseren Eigenschaften der Zwerge besteht darin, dass sie nur selten etwas Neues versuchen und das Alte nie aufgeben«, sagte die Vampirin und verharrte über dem Schnee. »Du warst nicht schwer zu finden.«
    »Wo bin ich hier?« Mumm sah sich um. Überall ragten Felsen und Bäume auf, von Schnee umhüllt.
    »In den Bergen, ein ganzes Stück von der Stadt entfernt, in entgegengesetzter Richtung, Herr Mumm. Auf Wiedersehen.«
    »Du willst mich einfach so zurücklassen?«
    »Wie bitte?
Du
hast dich zur Flucht entschlossen. Ich bin überhaupt nicht hier. Ein Vampir, der sich in die Angelegenheiten der Zwerge einmischt? Undenkbar! Nun, sagen wir… Es gefällt mir, wenn die Chancen gleich verteilt sind.«
    »Es ist
kalt
! Und ich habe nicht einmal einen Mantel! Was
willst
du?«
    »Du bist frei, Herr Mumm. Strebt nicht jeder nach Freiheit? Sollte nicht ein angenehm warmer Schein von ihr ausgehen?«
    Lady Margolotta verschwand im Schnee.
    Mumm zitterte. Erst jetzt begriff er, wie warm es unter Tage gewesen war. Außerdem musste er sich eingestehen, dass er das Zeitgefühl verloren hatte. Schwaches Licht zeigte sich. War es kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor dem Morgengrauen?
    Eisiger Wind wehte, und Schneeflocken sammelten sich auf seiner feuchten Kleidung.
    Freiheit konnte tödlich sein.
    Eine Unterkunft. Das war wichtiger als alles andere. Ein Toter konnte mit exakten Informationen über Zeit und Ort nichts anfangen. Tote wussten immer, wo sie sich befanden und dass es zu spät war.
    Er entfernte sich vom Schacht und wankte in den Wald, wo der Schnee weniger hoch war. Schwaches Licht ging davon aus, noch schwächer als das eines kranken Glühkäfers – die fallenden Schneeflocken schienen das Licht aus der Luft zu absorbieren.
    Mit Wäldern konnte Mumm nicht viel anfangen. Bisher waren es für ihn nur Dinge gewesen, die man gelegentlich am Horizont sah. Wäre er jemals bereit gewesen, über sie nachzudenken, hätte er sie sich als eine Ansammlung von Bäumen vorgestellt, die wie Pfähle aufragten, unten braun, oben buschig und grün.
    Hier gab es Unebenheiten aller Art und dunkle Zweige, die sich unter dem Gewicht des Schnees nach unten neigten und knackten. Gelegentlich fielen Schneeklumpen herab und erzeugten einen weiteren Schauer aus kalten Kristallen, wenn der von seiner Last befreite Zweig nach oben schnellte.
    Nach einer Weile glaubte Mumm, eine Art Weg zu erkennen, oder zumindest eine etwas breitere, von Schnee bedeckte Fläche. Er folgte dem Verlauf des hypothetischen Pfades, wenn auch nur deshalb, weil sich keine Alternativen anboten. Der warme Schein der Freiheit hielt nicht lange vor.
    Mumm hatte Stadtaugen. Er wusste, wie Polizisten sie entwickelten. Wenn ein Neuling in der Stadtwache nur einen kurzen Blick auf die Straße warf, dann lernte er, und wenn er nicht schnell lernte, so sammelte er schon bald große Erfahrung im Sterben. Wer eine Zeit lang in den Straßen von Ankh-Morpork unterwegs gewesen war, nahm aufmerksam alle Details zur Kenntnis, bemerkte Schatten, sah Vordergrund und Hintergrund und jene Leute, die versuchten, weder im einen noch im anderen sichtbar zu sein. Angua nahm die Straßen auf diese Weise wahr. Sie arbeitete daran.
    Alte Hasen unter den Wächtern – sogar Nobby, wenn er einen guten Tag hatte – brauchten eine Straße nur einmal kurz zu sehen, um alles zu erkennen.
    Vielleicht gab es auch… Landaugen. Oder Waldaugen. Mumm sah Bäume, kleine Hügel, Schnee und sonst kaum etwas.
    Der Wind wurde stärker und begann zwischen den Bäumen zu heulen. Die Schneeflocken
stachen
nun.
    Bäume. Zweige. Schnee.
    Mumm trat nach einem Haufen neben dem Weg. Schnee rieselte von dunklen Kiefernnadeln. Er sank auf Hände und Knie, kroch nach vorn.
    Ah…
    Es war noch immer kalt, und ein wenig Schnee lag auf den heruntergefallenen Nadeln, aber die unteren Zweige formten eine Art Zeltdach. Mumm gratulierte sich zu seinem Glück. Hier drin wehte kein Wind, und entgegen aller Vernunft schien der Schnee darüber alles
wärmer
zu machen. Es roch sogar warm… ein Geruch von… Tieren…
    Drei Wölfe lagen träge um den Baumstamm und beobachteten Mumm interessiert.
    Zuvor hatte die Kälte versucht, ihn erstarren zu lassen. Das Entsetzen war erfolgreicher.
    Wölfe!
    Und das war es auch schon. Es ergab ebenso viel Sinn zu sagen: Schnee! Oder: Wind! Sowohl vom einen als auch vom anderen ging derzeit tödliche Gefahr

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