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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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reinigte den alten Taubenschlag, als die Nachricht eintraf.
    Inzwischen verbrachte er immer mehr Zeit bei den Tauben. Es war kein sehr beliebter Job, und deshalb versuchte niemand, seinen Platz einzunehmen. Wenigstens hörte man das Geschrei und die knallenden Türen hier nur gedämpft.
    Die Sitzstangen
funkelten.
    Obergefreiter Besuch fand Gefallen an seiner derzeitigen Tätigkeit. Er hatte nicht viele Freunde in der Stadt. Er hatte auch nicht viele Freunde in der Wache. Aber wenigstens gab es Leute, mit denen er reden konnte, und außerdem kam er mit dem religiösen Unterricht bei den Tauben gut voran.
    Doch jetzt dies…
    Die Nachricht war für Hauptmann Karotte bestimmt. Was vermutlich bedeutete, dass sie an Hauptmann Colon weitergeleitet werden sollte, und zwar
persönlich,
denn Hauptmann Colon glaubte, dass jemand die für ihn bestimmte Rohrpost kontrollierte.
    Bisher hatte sich Obergefreiter Besuch recht sicher gefühlt. Omnianer neigten von Natur aus dazu, Befehle nicht in Frage zu stellen. Das galt auch für jene, die überhaupt keinen Sinn ergaben. Besuch respektierte Autorität instinktiv, ganz gleich, wie verrückt sie sein mochte – das verdankte er einer guten Erziehung. Darüber hinaus stand ihm genug Zeit zur Verfügung, seinen Brustharnisch zu putzen. Aus irgendeinem Grund waren glänzende Brustharnische in der Wache sehr wichtig geworden.
    Doch um Colons Büro aufzusuchen, brauchte er so viel Mut wie der legendäre Bischof Horn, als er die Stadt der Ooliten betrat, und alle wussten, was
die
mit Fremden anstellten.
    Besuch verließ den Taubenschlag, ging zum Hauptgebäude und achtete darauf, zackig zu gehen.
    Die Wache war mehr oder weniger leer. Seit einiger Zeit schien es nicht mehr so viele Wächter zu geben wie früher. Normalerweise blieben die Leute bei diesem kühlen Wetter lieber drinnen, doch niemand setzte sich gern Hauptmann Colons Zorn aus.
    Besuch ging die Treppe zum Büro hinauf und klopfte an die Tür.
    Nach einer Weile klopfte er erneut.
    Als alles still blieb, öffnete er die Tür, trat leise zum glänzenden, leeren Schreibtisch und machte Anstalten, die Nachricht unter das kleine Tintenfass zu schieben, damit sie nicht weggeweht werden konnte…
    »Aha!«
    Obergefreiter Besuchs Hand zuckte, und Tinte spritzte. Ein schwarzer Schauer flog dicht an seinen Augen vorbei und traf mit lautem
Platschen
etwas hinter ihm.
    Steif drehte er sich um und sah Hauptmann Colon, dessen Gesicht ohne die Tinte vermutlich kalkweiß gewesen wäre.
    »Ich
verstehe
«, sagte Colon. »Angriff auf einen vorgesetzten Offizier, wie?«
    »Es war ein Unfall, Hauptmann!«
    »Ach, tatsächlich? Und warum hast du dich in mein Büro geschlichen, wenn ich fragen darf?«
    »Ich habe nicht gewusst, dass du hier bist, Hauptmann!«, brabbelte Besuch.
    »Aha!«
    »Wie bitte?«
    »Wolltest wohl einen Blick in meine privaten Dokumente werfen.«
    »Nein, Hauptmann!« Besuch erholte sich ein wenig. »Warum hast du hinter der Tür gestanden, Hauptmann?«
    »Ach? Glaubst du vielleicht, ich dürfte nicht hinter der Tür meines eigenen Büros stehen?«
    An dieser Stelle unterlief dem Obergefreiten Besuch der nächste Fehler: Er versuchte zu lächeln.
    »Nun, es
ist
ein wenig seltsam, Herr…«
    »Willst du damit sagen, irgendetwas an mir sei
seltsam
?«, fragte Hauptmann Colon. »Entdeckst du gar etwas an mir, das du
komisch
findest?«
    Besuch blickte in das tintenverschmierte Gesicht. »Nein, nichts, Herr.«
    »Du hast annehmbare Arbeit geleistet, Obergefreiter«, sagte Colon und stand ein wenig zu dicht vor Besuch. »Deshalb will ich nicht zu streng mit dir sein. Niemand soll behaupten können, ich sei unfair. Hiermit degradiere ich dich zum Unterobergefreiten, verstanden? Dein Sold wird rückwirkend vom Beginn des Monats an entsprechend gekürzt.«
    Besuch salutierte – das war vermutlich die einzige Möglichkeit, dies lebend zu überstehen. Ein Lid des Hauptmanns zuckte.
    »Nun, ich wäre eventuell bereit, diesen Zwischenfall einfach zu vergessen und dir deinen alten Rang zurückzugeben«, fuhr Colon fort. »Vorausgesetzt, du verrätst mir, wer die Zuckerstücke gestohlen – ich sagte
gestohlen –
hat.«
    »Herr?«
    »Ich
weiß,
dass es gestern Abend dreiundvierzig waren. Ich habe sie sehr sorgfältig gezählt. Heute Morgen sind es nur noch einundvierzig, Unterobergefreiter. Obwohl sie im Schreibtisch
eingeschlo
s
sen
waren. Hast du eine Erklärung dafür?«
    Die ehrliche und selbstmörderische Antwort hätte gelautet:

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