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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Nun, Hauptmann, du verfügst zweifellos über viele bewundernswerte Fähigkeiten, aber ich
habe
gesehen, wie du zweimal deine Finger gezählt hast, und zwar mit unterschiedlichem Ergebnis.
    »Äh… Mäuse?«, erwiderte Besuch.
    »Ha! Fort mit dir, Unterobergefreiter! Und denk über das nach, was ich dir gesagt habe!«
    Als der deprimierte Besuch das Büro verlassen hatte, nahm Hauptmann Colon am großen, leeren Schreibtisch Platz.
    Irgendwo hinter seiner Stirn glühte noch immer ein Funken Intelligenz durch den dichten Nebel aus lähmendem Entsetzen, und dieser Funken teilte ihm mit: Er hatte so sehr den Boden unter den Füßen verloren, dass er nicht mehr auf dem schmalen Grat der Vernunft balancierte, sondern in den bodenlosen Abgrund des Wahnsinns stürzte.
    Ja,
er hatte einen leeren Schreibtisch. Aber nur deshalb, weil er den Papierkram einfach wegwarf.
    Fred Colon war keineswegs Analphabet, aber er brauchte Zeit und einen geistigen Anlauf, um mit Geschriebenem fertig zu werden, das umfangreicher war als eine kurze Liste. Wörter mit mehr als drei Silben stellten ein fast unüberwindliches Hindernis für ihn dar. Colon war auf einer rein
funktionellen
Ebene des Schreibens und Lesens kundig: Er verglich das Schreiben und Lesen mit Stiefeln. Man brauchte sie, aber niemand erwartete von ihnen, dass sie Spaß machten. Wer sich zu sehr dafür begeisterte, erregte Argwohn.
    Bei Herrn Mumm hatten die Papiere immer hohe Stapel auf dem Schreibtisch gebildet, aber Colon vermutete, dass Mumm und Karotte einen ganz besonderen Weg gefunden hatten, mit der Dokumentenflut fertig zu werden: Sie verstanden es, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Für Colon blieb alles verwirrend und rätselhaft. Es gab Beschwerden, Memos, Einladungen, auszufüllende Formulare, Briefe, deren Verfasser um »einige Minuten deiner Zeit« baten, Berichte und Sätze mit Ausdrücken wie »ungeheuerlich« und »unverzügliche Maßnahmen«. In seinem Bewusstsein türmte sich all dies wie eine gewaltige Welle auf, die jederzeit auf ihn herabschmettern konnte.
    Jener Teil von Colon, der verzweifelt an einem Rest von Vernunft festhielt, fragte sich, ob es nicht die wahre Aufgabe von Offizieren war, diesen ganzen Kram von Feldwebeln fern zu halten – damit die Feldwebel weiterhin Feldwebel sein konnten.
    Hauptmann Colon holte tief und zittrig Luft.
    Andererseits… Wenn die Leute sogar Zuckerstücke stibitzten, durfte man sich nicht wundern, dass alles drunter und drüber ging! Bring die Sache mit den Zuckerstücken in Ordnung – der Rest erledigt sich von ganz allein.
    Das ergab einen Sinn!
    Er drehte den Kopf und sah zu dem großen, anklagenden Dokumentenhaufen in der Ecke.
    Er bemerkte auch den leeren Kamin.
    Darum ging es bei der Tätigkeit eines Offiziers. Es kam darauf an,
Entscheidungen
zu treffen!
     
    Unterobergefreiter Besuch ging nach unten in den Hauptraum der Wache zurück. Dort hielten sich jetzt mehrere Personen auf, denn der Schichtwechsel stand unmittelbar bevor.
    Alle drängten sich um einen Schreibtisch, auf dem die schmutzige Steinsemmel lag.
    »Obergefreiter Schenkelbeißer hat sie in der Zephirstraße gefunden«, sagte Feldwebel Starkimarm. »Sie lag einfach da. Offenbar hat es der Dieb mit der Angst zu tun bekommen.«
    »Aber der Fundort ist ziemlich weit vom Museum entfernt«, sagte Reg Schuh. »Warum sollte der Dieb die Steinsemmel quer durch die Stadt schleppen, um sie dann in einem piekfeinen Viertel zurückzulassen, noch dazu an einer Stelle, wo man sie sofort findet?«
    »Oh, weh mir, denn ich bin ruiniert«, sagte Unterobergefreiter Besuch. Er fühlte sich in den Hintergrund gedrängt, noch dazu von einem Objekt, das er als heidnisches Symbol bezeichnet hätte, wenn ihm seine Beine nicht mehr wichtig gewesen wären.
    »Besser du als wir«, erwiderte Korporal Nobbs, der nicht viel von Mitleid hielt.
    »Ich meine, ich bin zum Unterobergefreiten degradiert«, erklärte Besuch.
    »Was? Warum?«, fragte Feldwebel Starkimarm.
    »Ich… weiß nicht genau«, antwortete Besuch.
    »Jetzt reicht’s!«, sagte der Zwerg. »Gestern hat er drei Wächter bei den Tollen Schwestern rausgeschmissen. Ich warte nicht, bis es mir ebenso ergeht. Nein, ich gehe nach Sto Lat. Dort sind ausgebildete Wächter jederzeit willkommen. Ich bin Feldwebel; bestimmt bietet man mir sofort eine Stelle an.«
    »Nehmt’s doch nicht so tragisch«, warf Nobby ein. »Auch Mumm hat gelegentlich kein Blatt vor den Mund genommen.«
    »Ja, aber das war etwas

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