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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ausging.
    Er dachte: Manchmal wäre es nett, jemanden falsch einzuschätzen.
     
    Gaspode wusste, dass sie im hohen Vorgebirge unterwegs waren. Orte, wo man Lebensmittel kaufen konnte, wurden immer seltener. Wie behutsam Karotte auch an die Türen einsamer Bauernhäuser klopfte – es lief immer darauf hinaus, dass er mit Leuten redete, die sich unterm Bett verbargen. Die hier lebenden Menschen waren nicht daran gewöhnt, dass sehr muskulöse und mit Schwertern bewaffnete Männer irgendetwas
kaufen
wollten.
    Letztendlich sparte man Zeit, indem man einfach eintrat, sich in der Speisekammer bediente und auf dem Küchentisch etwas Geld für die Leute im Keller zurückließ.
    Seit der letzten Hütte waren zwei Tage vergangen, und dort hatten sie so wenig gefunden, dass Karotte zu Gaspodes Empörung nichts mitnahm und einfach nur einige Münzen zurückließ.
    Der Wald wurde dichter. Erlen wichen Kiefern. Jede Nacht schneite es. Die Sterne waren frostige Punkte. Und immer dann, wenn die Sonne unterging, begann das Heulen.
    »Es ist nie bestätigt worden, dass Wölfe Menschen angreifen, ohne dass sie in irgendeiner Form provoziert werden«, sagte Karotte. Sie drängten sich beide unter seinem Mantel zusammen.
    »Und das ist gut, nicht wahr?«, erwiderte Gaspode nach einer Weile.
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, wir Hunde haben natürlich nur ein
kleines
Gehirn, aber
mir
scheint, deine Worte laufen auf Folgendes hinaus: Kein Mensch, der ohne irgendeine Provokation von einem Wolf angegriffen wurde, ist jemals heimgekehrt, um davon zu berichten. Ich meine, die Wölfe brauchen ihre Opfer nur an einem abgelegenen Ort zu töten, wo niemand etwas davon erfährt.«
    Noch mehr Schnee fiel auf den Mantel, der immer schwerer wurde und Karotte an viele einsame Nächte im Regen von Ankh-Morpork erinnerte. In der Nähe flackerte und zischte ein Feuer.
    »Ich wünschte, das hättest du nicht gesagt, Gaspode.«
    Es waren große, ernste Schneeflocken. Der Winter kam sehr schnell die Berge herunter.
    »
Du
wünschst, ich hätte das nicht gesagt?«
    »Aber… Nein, ich bin sicher, dass wir nichts zu befürchten haben.«
    Eine Schneewehe bedeckte den größten Teil des Mantels.
    »Du hättest das Pferd bei der letzten Hütte nicht gegen die Schneeschuhe eintauschen sollen«, sagte Gaspode.
    »Das arme Tier war vollkommen erschöpft. Außerdem kann von einem Tausch in dem Sinn keine Rede sein. Die Leute wollten nicht aus dem Schornstein kommen. Sie
meinten
allerdings, wir sollten uns nehmen, was wir brauchen.«
    »Sie
sagten,
wir könnten alles nehmen, wenn wir sie nur am Leben ließen.«
    »Ja. Ich weiß gar nicht, warum sie diesen Hinweis für nötig hielten. Ich habe gelächelt.«
    Der Hund seufzte.
    »Tja, jetzt ergeben sich gewisse Schwierigkeiten. Auf dem Pferd hast du mich tragen können, aber hier sind wir im tiefen Schnee, und ich bin ein kleiner Hund. Meine Probleme sind dem Boden ziemlich nahe. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich habe zusätzliche Kleidung im Rucksack. Vielleicht könnte ich einen… Mantel für dich anfertigen.«
    »Ein Mantel nützt mir nicht viel.«
    Neuerliches Heulen erklang, diesmal schien es recht nahe zu sein.
    Die Schneeflocken fielen schneller. Das Zischen des Feuers wurde lauter, und schließlich gaben die Flammen auf.
    Mit Schnee kam Gaspode nicht besonders gut zurecht. Normalerweise blieben ihm Probleme mit derartigen Niederschlägen erspart. In der Stadt gab es immer einen warmen Platz, wenn man wusste, wonach es Ausschau zu halten galt. Außerdem blieb der Schnee nur ein oder zwei Stunden lang Schnee, bevor er sich in braunen Matsch verwandelte und Teil des allgemeinen Schlamms in den Straßen wurde.
    Straßen. Gaspode vermisste sie sehr. In Straßen konnte er klug sein. Im Schnee hingegen kam er sich dumm vor.
    »Das Feuer ist aus«, sagte er.
    Karotte gab keine Antwort.
    »Ich habe gesagt:
Das Feuer ist aus
…«
    Gaspode vernahm leises Schnarchen.
    »He, du kannst jetzt nicht schlafen!«, jaulte er. »Nicht ausgerechnet
jetzt.
Wir
erfrieren
…«
    Die nächste Stimme im Heulen schien nur einige Bäume entfernt zu sein. Gaspode glaubte, dunkle Schemen im endlosen Vorhang aus Schnee zu erkennen.
    »Wenn wir Glück haben«, murmelte er und leckte Karottes Gesicht. Für gewöhnlich führte dies dazu, dass die beleckte Person Gaspode mit einem Besen in der Hand über die Straße scheuchte. Hier war die Reaktion nur weiteres Schnarchen.
    Gaspodes Gedanken rasten.
    Er war ein Hund, und Hunde und Wölfe…

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