Der Fünfte Elefant
Eigentlich war
es gar kein Geräusch, eher eine Veränderung in der Textur der
Luft.
Der Baron trat hinter dem Wandschirm hervor und zog den
Gürtel eines recht mitgenommenen Bademantels zurecht. Die Ba-
ronin schniefte.
»Dein Vater trägt zumindest Kleidung«, sagte sie.
»Kleidung ist ungesund, Mutter«, wandte Wolfgang ruhig ein.
»Nacktheit bedeutet Reinheit.«
Der Baron setzte sich. Er war ein großer Mann mit gerötetem
Gesicht, soweit sein Gesicht unter dem langen Haar, den buschi-
gen Augenbrauen und dem dichten Bart zu erkennen war: Das
wilde Wuchern schien miteinander zu wetteifern.
»Nun?«, brummte er.
»Der Diebesfänger Mumm aus Ankh-Morpork wird als angeblicher
Botschafter zu uns geschickt!«, sagte die Baronin scharf.
»Zwerge?«
»Man wird ihnen natürlich Bescheid geben.«
Einige Sekunden blickte der Baron ins Leere und zeigte dabei
den gleichen Gesichtsausdruck wie Detritus, wenn sich in ihm ein
neuer Gedanke formte.
»Schlimm?«, brachte er schließlich hervor.
»Ich habe dir tausend Mal davon erzählt, Guye«, sagte die Baro-
nin. »Du verbringst zu viel Zeit in der anderen Gestalt! Du weißt doch, wie es nachher um dich steht. Stell dir vor, es kämen offizielle Besucher?«
»Sie beißen!«
»Siehst du! Leg dich irgendwo schlafen und komm erst dann
wieder, wenn du fähig bist, ein richtiger Mensch zu sein!«
»Mumm könnte alles ruinieren, Vater«, sagte Wolfgang. Er hatte inzwischen mit Handständen begonnen, wobei er ebenfal s nur
eine Hand einsetzte.
»Guye! Hör auf damit!«
Der Baron stel te den Versuch ein, sich mit dem Bein am Ohr zu
kratzen. »Vorsicht?«, fragte er.
Wolfgangs glänzender Leib sank kurz nach unten, als er die
Hand wechselte.
»Das Leben in der Stadt lässt Männer schwach werden. Be-
stimmt gibt uns Mumm Gelegenheit für ein wenig Spaß. Es heißt,
er läuft gern.« Er lachte leise. »Wir werden sehen, wie schnell er
ist.«
»Seine Frau meint, er hätte ein weiches Herz… Guye! Wag es bloß
nicht! Geh nach oben, wenn du so etwas tun musst !«
Der Baron wirkte nur wenig verlegen, rückte seinen Bademantel
aber trotzdem zurecht.
»Räuber!«, sagte er.
»Ja, sie könnten in dieser Jahreszeit ein Problem sein«, bestätigte
Wolfgang.
»Mindestens ein Dutzend«, meinte die Baronin. »Das sol te ei-
gentlich…«
Wolf schnaufte und stand noch immer auf einer Hand. » Nein,
Mutter. Du bist dumm. Seine Kutsche muss uns sicher erreichen.
Verstehst du? Wenn sie bei uns eingetroffen ist… Nun, dann kann
eine Menge passieren.«
Die Brauen des Barons neigten sich einander entgegen, als er
nachdachte. »Plan! König!«
»Genau.«
Die Baronin seufzte. »Ich traue dem kleinen Zwerg nicht.«
Wolf stieß sich ab und landete auf den Füßen. »Nein. Ob er Ver-
trauen verdient oder nicht – wir haben nur ihn. Mumm muss uns
erreichen, mit seinem weichem Herzen. Er könnte uns sogar nütz-
lich sein. Vielleicht… sollten wir der Sache ein wenig nachhelfen.«
»Warum?«, schnappte die Baronin. »Soll sich Ankh-Morpork um
seine eigenen Kinder kümmern!«
Es klopfte an der Tür, als Mumm frühstückte. Willikins führte
einen kleinen, dünnen Mann in zwar ordentlicher, aber abgewetz-
ter schwarzer Kleidung herein. Durch den übermäßig großen Kopf
wirkte er wie ein Lutscher. Er trug eine schwarze Melone, auf die
gleiche Weise wie ein Soldat seinen Helm, und er ging wie jemand,
mit dessen Knien etwas nicht stimmte.
»Es tut mir sehr Leid, Seine Gnaden zu stören…«
Mumm legte das Messer beiseite. Er hatte gerade eine Orange
geschält. Sybil bestand darauf, dass er Obst aß.
»Nicht Seine Gnaden«, erwiderte er. »Einfach nur Mumm. Oder
Sir Samuel, wenn du darauf bestehst. Du bist Vetinaris Sekretär,
nicht wahr?«
»Inigo Schaumlöffel, Herr. Mhm-mhm. Ich sol mit dir nach Ü-
berwald reisen.«
»Ah, du wirst das Flüstern und Zwinkern übernehmen, während
ich die Gurkenbrote verteile, stimmt’s?«
»Ich werde versuchen, zu Diensten zu sein, Herr, obwohl ich
nicht gut zwinkere. Mhm-mhm.«
»Möchtest du was zum Frühstück?«
»Ich habe bereits gegessen, Herr. Mhm-m, hm.«
Mumm musterte den Sekretär von Kopf bis Fuß. Es war nicht
nur, dass der Kopf zu groß wirkte. Jemand schien al es darunter
zusammengequetscht und nach oben gedrückt zu haben. Außer-
dem ging ihm al mählich das Haar aus, und er hatte den Rest sorg-
fältig auf dem rosaroten Schädel verteilt. Sein Alter ließ sich nur
schwer
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