Der Fünfte Elefant
Igor, Sohn von Igor, Neffe mehrerer Igors, Bruder von
Igors und Vetter von so vielen Igors, dass er sich ohne ein dickes
Adressbuch nicht an al e erinnern konnte. Igors änderten kein
funktionierendes Rezept.*
Und allen Igors gefiel es, für Vampire zu arbeiten. Vampire hiel-
ten sich an einen ganz bestimmten Zeitplan, waren höflich zu ih-
ren Bediensteten und – ein wichtiger Punkt – erforderten nicht viel
Arbeit beim Bettenmachen und Kochen. Außerdem verfügten sie
in den meisten Fällen über kühle, große Keller, wo sich ein Igor
seiner wahren Berufung widmen konnte. Dies al es ergab einen
guten Ausgleich für jene unliebsamen Zwischenfälle, die damit
endeten, dass man die Asche der Vampire zusammenkehren muss-
te.
Er betrat Lady Margolottas Gruft und klopfte höflich an den
Sargdeckel, der daraufhin ein wenig zur Seite rutschte.
»Ja?«
»Ef tut mir Leid, dich mitten am Nachmittag zu ftören, Euer
Gnaden, aber du haft gefagt…«
»Schon gut. Und…?«
»Der Patrifier entfendet Mumm, Euer Gnaden.«
Eine zierliche Hand schob sich durch den Spalt zwischen Deckel
und Sarg und wurde zu einer Faust.
»Ja!«
»In der Tat, Euer Gnaden.«
»Na so was. Samuel Mumm. Armer Teufel. Wissen die Hünd-
chen Bescheid?«
Igor nickte. »Der Igor def Baronf hat eine Nachricht entgegen-
genommen.«
»Und die Zwerge?«
»Ef ift eine offiziel e Ernennung. Al e wiffen Bescheid. Feine Gnaden, der Herfog von Ankh-Morpork, Fir Famuel Mumm,
Kommandeur der Ftadtwache von Ankh-Morpork.«
* Erst recht nicht, wenn es grün war und blubberte.
»Dann ist die Kacke echt am Dampfen, Igor.«
»Gut aufgedrückt, Euer Gnaden. Der Geruch dürfte niemandem
gefallen.«
»Ich schätze, er lässt sie hinter sich zurück, Igor.«
Betrachten wir ein Schloss einmal aus dem Blickwinkel der Möbel.
Dieses speziel e Schloss hat Sessel, aber sie scheinen nicht oft
verwendet worden zu sein. Neben dem Kamin steht ein großes
Sofa, das ziemlich abgenutzt wirkt. Die anderen Einrichtungsge-
genstände sind offenbar nur deshalb vorhanden, damit der Raum
nicht zu leer wirkt.
Der lange Eichentisch glänzt und sieht trotz seines Alters er-
staunlich unbenutzt aus. Eine Erklärung dafür bieten viel eicht die
vielen weißen Tonnäpfe auf dem Boden.
Auf einem von ihnen steht »Vater« geschrieben.
Die Baronin Serafine von Überwald klappte verärgert Twurps A-
delsverzeichnis zu.
»Der Mann ist… ein Niemand«, sagte sie. »Eine Marionette ohne
Bedeutung. Dass man ihn schickt, ist eine Beleidigung .«
»Der Name Mumm reicht weit in die Vergangenheit zurück«,
sagte Wolfgang von Überwald. Er machte Liegestütze vor dem
Kamin, mit nur einer Hand.
»Und wenn schon. Das gilt auch für den Namen Schmidt.«
Mitten in der Luft wechselte Wolfgang von der einen Hand zur
anderen. Er war nackt – er gönnte seinen Muskeln gern frische
Luft. Sie glänzten. Mit einer anatomischen Karte hätte man jeden
Einzelnen identifizieren können. Interessant wirkte auch sein
Haar: Es wuchs nicht nur auf dem Kopf, sondern auch an den
Schultern.
»Er ist Herzog, Mutter.«
»Ha! In Ankh-Morpork gibt es nicht einmal einen König!«
»… neunzehn, zwanzig… Ich habe Geschichten darüber gehört,
Mutter…«
»Ach, Geschichten. Sybil schreibt mir jedes Jahr dumme kleine Briefe! Sam dies, Sam das. Sie muss natürlich dankbar dafür sein,
dass sie überhaupt einen Mann bekommen hat, aber… er ist doch
nichts weiter als jemand, der Diebe fängt. Ich werde es ablehnen,
ihn zu empfangen.«
»Das wirst du nicht, Mutter«, brummte Wolfgang. »Das wäre…
neunundzwanzig, dreißig… gefährlich. Was erzählst du Lady Sybil
von uns?«
»Nichts! Ich beantworte ihre Briefe natürlich nicht. Sie ist eine
jämmerliche und törichte Frau.«
»Und sie schreibt dir noch immer jedes Jahr? Sechsunddreißig,
siebenunddreißig…«
»Ja. Normalerweise vier Seiten. Das sagt einem al es über sie, was
man wissen muss.«
Eine Klappe in der unteren Hälfte einer nahen Tür schwang auf,
und ein großer, kräftig gebauter Wolf kam herein. Er blickte nach
rechts und links, bevor er sich hingebungsvol schüttelte.
»Guye!«, sagte die Baronin entrüstet. »Du weißt doch, was ich gesagt habe! Es ist nach sechs! Wechsle die Gestalt, wenn du aus
dem Garten hereinkommst.«
Der Wolf knurrte leise und verschwand dann hinter einem
Wandschirm aus massivem Eichenholz am anderen Ende des
Raums. Ein seltsames, weiches Geräusch erklang.
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