Der Fünfte Elefant
in
Diplomatie und gib’s an ihn weiter.«
Bestimmte Geräusche deuteten an, dass einige der zuhörenden
Zwerge Morporkianisch verstanden. Zwei von ihnen kamen ziel-
strebig näher.
Dee brabbelte hysterisch auf Zwergisch, als die anderen Zwerge
den stierenden Albrecht erreichten und ihn wegführten. Zuvor
flüsterte einer von ihnen dem Ideenschmecker etwas ins Ohr.
»Der, äh, König ist nun bereit, dich zu empfangen«, murmelte er.
Mumm sah zur Tür – noch mehr Zwerge eilten hindurch. Einige
von ihnen trugen das, was Mumm für »normale« Zwergenkleidung
hielt, andere waren in das schwarze Leder der Tiefen-Clans gehül t.
Alle starrten ihn an, als sie an ihm vorbeigingen.
Und dann erstreckte sich nur noch leerer Boden bis zur Tür.
»Kommst du mit?«, fragte Mumm.
»Nur wenn er mich dazu auffordert«, entgegnete Dee. »Ich wün-
sche dir viel Glück, Euer Tafelwart.«
Hinter der Tür erwartete Mumm ein Zimmer mit Bücherregalen,
die in der Dunkelheit verschwanden. Einige brennende Kerzen
veränderten nur die Dichte der Finsternis. Einige leuchteten ziem-
lich weit entfernt, und Mumm fragte sich, wie groß dieser Raum
sein mochte…
»Hier drin gibt es Aufzeichnungen über al e Heiraten, Geburten,
Todesfäl e, die Umzüge eines Zwergs von einer Mine zur anderen,
die Könige al er Bergwerke, die Fortschritte jedes einzelnen
Zwergs durch K’zakra, Schürfrechte, die Geschichte berühmter Äxte – und andere interessante Dinge«, erklang eine Stimme hinter
Mumm. »Was vielleicht noch wichtiger ist: In diesem Raum sind
al e Entscheidungen niedergeschrieben, die im Verlauf der letzten
tausendfünfhundert Jahre nach dem Zwergenrecht getroffen wur-
den.«
Mumm drehte sich um. Hinter ihm stand ein Zwerg, der selbst
nach Zwergenmaßstäben klein war. Er schien eine Antwort zu
erwarten.
»Äh, al e Entscheidungen?«
»O ja.«
»Äh, waren es gute Entscheidungen?«, fragte Mumm.
»Wichtig ist, dass sie getroffen wurden«, sagte der König. »Dan-
ke, junger… Zwerg. Du kannst dich aufrichten.«
Grinsi hatte sich verneigt.
»Entschuldigung, sollte ich mich ebenfalls verbeugen?«, erkun-
digte sich Mumm. »Du… bist doch noch nicht König, oder?«
»Nein, noch nicht.«
»Ich, äh, es tut mir Leid, aber ich habe mir jemanden vorgestellt,
der…«
»Ja?«
»Nun, der… königlicher wirkt.«
Der Niedere König seufzte.
»Ich meine… ich meine, du siehst wie ein ganz gewöhnlicher
Zwerg aus«, fügte Mumm verlegen hinzu.
Diesmal lächelte der König. Er war etwas kleiner als ein durch-
schnittlicher Zwerg und trug die übliche Uniform aus Leder und
Kettenhemd. Er sah alt aus, aber Zwerge begannen schon mit etwa
fünf Jahren, alt auszusehen, und dieses Erscheinungsbild behielten
sie während der nächsten dreihundert Jahre bei. Die musikalische
Kadenz seiner Stimme verband Mumm mit Llamedos. Hätte ihn
dieser Zwerg in Gimlets Feinkostbude um den Ketchup gebeten,
wäre Mumm kaum bereit gewesen, ihm einen zweiten Blick zu
schenken.
»Diese Sache mit der Diplomatie«, sagte der König. »Glaubst du,
dass es dir gelingt, dich daran zu gewöhnen?«
»Es fällt mir nicht leicht, muss ich zugeben… äh… Euer Majes-
tät.«
»Soweit ich weiß, bist du bisher Wächter in Ankh-Morpork ge-
wesen.«
»Äh, ja.«
»Und offenbar hattest du einen berühmten Vorfahren, der zum
Königsmörder wurde.«
Das musste ja kommen, dachte Mumm. »Ja, Steingesicht
Mumm«, sagte er so ruhig wie möglich. »Ich habe die Vorwürfe
gegen ihn immer für ein wenig unfair gehalten. Immerhin war es
nur ein König. Ich meine, er machte kein Hobby daraus.«
»Aber du hältst nicht viel von Königen«, sagte der Zwerg.
»Ich begegne nur selten welchen«, erwiderte Mumm und hoffte,
dass dies eine diplomatische Antwort war. Der König schien sich
damit zufrieden zu geben.
»Ich habe Ankh-Morpork einmal besucht, als ich ein junger
Zwerg war«, sagte er und ging zu einem langen Tisch, auf dem sich
Schriftrollen stapelten.
»Äh, tatsächlich?«
»Rasenschmuck – so hat man mich dort genannt. Und außerdem
– wie hieß das Wort noch? – Pimpf. Einige Kinder warfen Steine
nach mir.«
»Tut mir Leid.«
»Du willst mich vielleicht darauf hinweisen, dass so etwas heute
nicht mehr geschieht.«
»Es geschieht nicht mehr so oft. Aber es gibt immer Idioten, die
nicht mit der Zeit gehen.«
Der König bedachte Mumm mit einem durchdringenden Blick.
»Ach? Die Zeit… Jetzt ist es immer
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