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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Wurzelbehandlung. Aber jetzt ist alles gut, behauptet er.« Sie beugte sich vor, um mir zu zeigen, welcher Zahn hatte repariert werden müssen. Ich sah nichts.
    Â»Wenn Sie eine Bank ausgeraubt hätten, Frau Walldorf, und Sie müssten die Beute vorübergehend in der Nähe verstecken. Wie würden Sie das anstellen? Und sagen Sie bitte nicht, Sie würden sie unter einem allein stehenden Baum im Odenwald vergraben.«
    Â»In einer Kirche«, meinte sie ernsthaft. »Die meisten Kirchen stehen nachts offen, und da gibt’s tausend Ecken, wo nur alle Jubeljahre mal wer hinguckt. Und wer verdächtigt schon jemanden, der in eine Kirche geht? Das wäre völlig risikolos.«
    Auch eine Idee.
    Â»Und wenn Sie gerade keine Kirche in Reichweite haben?«
    Â»Ein Schließfach am Bahnhof?«
    Â»Zu klein.«
    Â»Und außerdem muss man ständig Geld nachwerfen.« Sie starrte angestrengt an die Regalwand in meinem Rücken. »Im Kofferraum von einem Auto, das irgendwo ganz legal parkt?«
    Davon standen im Großraum Heidelberg in diesem Augenblick vermutlich Zigtausende herum.
    Irgendwann fiel Sönnchens Blick auf die Fotos, die immer noch auf meinem Schreibtisch lagen.
    Â»Den da kenn ich.« Sie deutete auf den Fünften in der Mörderreihe. Es war der, der etwas deprimiert guckte. »Den seh ich jeden Sonntag bei uns in der Kirche.«
    Â»So schön es wäre, das kann eigentlich nicht sein. Erstens suchen wir diesen Mann seit zwölf Stunden deutschlandweit wie die berühmte Nadel im Misthaufen.«
    Â»Heuhaufen«, korrigierte mich meine unersetzliche Sekretärin milde.
    Â»Zweitens kann ich mir einen Kerl, der seelenruhig einen Haufen Menschen zusammenschießt, nicht so recht als regelmäßigen Besucher von Gottesdiensten vorstellen. Und drittens: Würde ein Russe nicht eher in eine orthodoxe Kirche gehen, wenn schon?«
    Â»Ich kenn den aber«, wiederholte sie unbeeindruckt. Als Heidelberger Urgestein kannte Sönnchen die halbe Stadt. »Er trägt jetzt einen Bart. Ich kann das Foto auch unserem Herrn Pfarrer zeigen, wenn Sie mir nicht glauben. Heut Abend haben wir Chorprobe.«
    Ich massierte meine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. Dann leerte ich meine Tasse.
    Â»Nein«, entschied ich. »Das machen wir zusammen. Und zwar jetzt gleich.«
    Â»Dürfen Sie das denn? Ich meine, nachdem dieser … komische Kerl aus Berlin angerufen hat?«
    Â»Berlin ist weit weg, und schließlich bin ich immer noch der Chef hier.« Ich erhob mich. »Soll ich Sie im Auto mitnehmen?«
    Â»Nicht nötig.« Sönnchens Augen blitzten tatendurstig. Sie sprang ebenfalls auf. »Ich bin mit dem Rad da. Dann kann ich dem Herrn Pfarrer schon mal Bescheid sagen. Wir warten dann vor der Kirche auf Sie.«

31
    Ich gebe ja zu, es war kindisch. Eine Trotzreaktion, weil ich mich so über diesen Herrn Schröter geärgert hatte. Eine sinnlose Fahrt nach Neuenheim, nur um es diesem eingebildeten Ministerialdirigenten zu zeigen. Der es natürlich niemals erfahren würde. Dennoch verschaffte mir meine Eigenmächtigkeit eine kleine, schäbige Befriedigung.
    Sönnchen behielt recht: Ich brauchte mit dem Wagen tatsächlich fast zehn Minuten länger als sie mit dem Rad für die anderthalb Kilometer. Vermutlich wäre ich sogar zu Fuß schneller gewesen.
    Meine Sekretärin erwartete mich fröhlich lachend vor der dunkelbraunen Tür des großen und würdevoll aussehenden Pfarrhauses. Es hatte grüne Fensterläden und stand unmittelbar neben der mächtigen Sankt-Raphaels-Kirche. Der Pfarrer, ein trotz seines fortgeschrittenen Alters mit vollem, dunklem Haar gesegneter und sehr beleibter Herr mit roter Nase, stand neben ihr und begrüßte mich lautstark: »Grüß Sie Gott, Herr Kriminaloberrat! Frau Walldorf hat mir schon viel von Ihnen erzählt!«
    Er schüttelte meine Hand heftig und lange und stellte sich als »Schwabacher, Johannes Schwabacher« vor. Mit seiner Stimme wäre es ihm problemlos möglich gewesen, in einem vollbesetzten Dom ohne Mikrofon zu predigen.
    Ich ließ ihn das Foto sehen. Er nickte, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern.
    Â»Aber ja«, dröhnte er mit fränkischem Akzent. »Das ist unser Herr Geldorf. Der sitzt meistens links hinten, gleich neben der Säule.«
    Â»Können Sie sagen, seit wann?«
    Der Pfarrer zog eine

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