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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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allein aufzutauchen und ihn zu fragen, ob er vielleicht zufällig ein mehrfacher Mörder war. So zückte ich mein Handy, um wenigstens eine Streife zur Verstärkung anzufordern. Jeden meiner Mitarbeiter hätte ich zur Schnecke gemacht, hätte er anders gehandelt.
    Â»Der ist nicht da«, ertönte eine helle Kinderstimme in meinem Rücken. Ich wandte mich um. Ein dunkelhaariges, vielleicht achtjähriges Mädchen mit Sommersprossen im runden Gesicht sah neugierig zu mir auf. Das Kind trug eine schwarze, verschlissene Jeans und eine geblümte Bluse, die an den Schultern schon ein wenig spannte. Mit einem Fuß stand es auf einem dieser winzigen metallenen Tretroller, mit deren Hilfe man sich in Nullkommanichts einen Unterarm brechen konnte, wie Sarah vor einigen Jahren im Selbstversuch nachgewiesen hatte.
    Â»Du kennst den Herrn Geldorf?«, fragte ich mit gesenkter Stimme, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen.
    Â»Klar kenn ich den«, erwiderte das Kind so lautstark, dass man es vermutlich noch an der nächsten Ecke, mit Sicherheit aber im zweiten Obergeschoss hören konnte. »Ich wohn ja hier.«
    Â»Und wie ist er so?«
    Der Blick des Mädchens wurde unsicher. »Och«, sagte sie. »Der Sagnix ist schon okay.«
    Â»Das heißt, er ist nicht so nett?«
    Â»Bös ist er aber auch nicht. Er sagt bloß nie was. Das sagen auch meine Mama und mein Papa. Der Herr Geldorf ist lieber für sich und redet nicht gern mit anderen Leuten. Aber bös ist er nicht, nein.«
    Â»Und er ist nicht daheim, sagst du? Wo ist er denn hin?«
    Â»Einkaufen. Mit dem Auto. Er hat seinen Korb dabei gehabt und zwei leere Bierkisten. Meine Mama sagt, der Sagnix trinkt zu viel. Er kauft nur einmal die Woche ein, und dann nimmt er immer das Auto. Obwohl das gar nicht gut ist für die Umwelt. Meine Mama kauft jeden Tag ein, und die nimmt das Rad. Aber wir sind ja auch drei, die Mama, der Papa und ich. Und er kauft auch jedes Mal zwei Kisten Bier.«
    Â»Weißt du denn, was er arbeitet?«
    Â»Der ist immer nur daheim. Wie der Henkenhaf im ersten Stock. Die Mama sagt, der Sagnix muss reich sein, weil er einen tollen BMW fahren kann, auch wenn er gar nichts arbeitet. Arbeitslos ist er aber nicht.« Jetzt senkte auch das Mädchen die Stimme: »Der Henkenhaf«, fuhr sie mit verschwörerischem Blick nach oben fort, »der ist arbeitslos. Der trinkt auch Bier, und dann haut er seine Frau. Drum ist sie im Winter auch ausgezogen. Der Sagnix, der haut niemanden.«
    Â»Hätte er denn jemanden, den er hauen könnte?«
    Â»Nö. Der hat keine Frau. Den mag keine, sagt meine Mama. Weil er nie was sagt und weil er nie lacht. Der ist immer traurig, und Frauen mögen keine traurigen Männer, sagt meine Mama.«
    Â»Seit wann wohnt er denn schon hier?«
    Das Mädchen sah zum Himmel und bewegte stumm die Lippen beim Rechnen.
    Â»Vorletztes Jahr ist er eingezogen. Da sind Weihnachtsferien gewesen, und die Sternsinger sind grad gekommen. Und genau da hat er seine ganzen Sachen hochgeschleppt, und meine Mama hat die Sternsinger in unser Wohnzimmer gelassen, damit er vorbeigekonnt hat. Und dann haben sie Kuchen gekriegt und heiße Schokolade. Ich auch, obwohl ich kein Sternsinger bin. Meine Mama sagt, nächstes Jahr darf ich vielleicht auch mitsingen. Nicht als König. Aber vielleicht als Hirte oder als Schäfchen.«
    Â»Und Herr Geldorf hat einen BMW , sagst du?«
    Â»Einen ganz tollen! Aber jetzt ist er ein bisschen kaputt. Er macht so komische Töne. Wie ein Rennwagen.«
    Oben klappte ein Fenster.
    Â»Melinda«, rief eine dunkle Frauenstimme, »mit wem redest du denn da schon wieder?«
    Â»Mit dem Mann hier«, erwiderte das sommersprossige Mädchen mit dem Kopf im Nacken. »Er will auch zum Sagnix.«
    Â»Wieso auch?«, fragte ich alarmiert und trat zwei Schritte zurück. Melindas Mutter beugte sich etwas weiter vor, sodass wir Blickkontakt hatten. Sie hatte dasselbe Mondgesicht wie ihre Tochter, allerdings ohne Sommersprossen.
    Â»Weil vor einer halben Stunde schon mal einer nach dem gefragt hat«, erwiderte sie unfreundlich. »Sonst kriegt er ja nie Besuch. Und jetzt ist er grad einen Tag aus dem Urlaub zurück, und schon interessiert sich die halbe Welt für ihn.«
    Ich stellte mich vor, wedelte mit meinem Dienstausweis. »Wie hat der Mann ausgesehen, der zu Herrn Geldorf wollte?«
    Â»Mein Gott, wie hat

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