Der fünfte Mörder
Deutschland aus organisiert wurde. Die Verantwortlichen halten sich in meinem Verantwortungsbereich auf. Und ich kann mir beim besten Willen nichts vorstellen, was wichtiger wäre als die Vermeidung weiterer Morde â¦Â«
»Sich etwas vorzustellen, gehört in diesem Fall nicht zu Ihren Aufgaben«, fiel Schröter mir ins Wort. »Das hier ist drei Nummern zu groà für Sie und Ihre Truppen. Halten Sie also bitte ab sofort Ihre Finger da raus. Das war übrigens eine dienstliche Anweisung.«
»Erstens bezweifle ich stark, dass Sie befugt sind, mir irgendwelche Befehle zu erteilen. Und zweitens, nur damit ich Sie später fehlerfrei zitieren kann: Ich soll Ihrer Meinung nach also tatenlos zusehen, wie noch mehr Menschen ermordet werden?«
»Erstens werden wir beide schon noch sehen, wer von uns am längeren Hebel sitzt. Und zweitens ist es wohl nicht übermäÃig schade um den gefährdeten Personenkreis, wie Sie zugeben werden. Und auÃerdem geht es hier, drittens, um höhere Interessen.«
»Was wiegt in Ihren Augen schwerer als Menschenleben? Sollte mir eine Grundgesetzänderung entgangen sein?«
»Jetzt werden Sie mal nicht albern, Herr Kriminaloberrat.« Der Mann sprach meinen Dienstrang in einer Weise aus, die den Tatbestand der Beamtenbeleidigung erfüllte. »Aber um Ihre Frage zu beantworten: Schwerer als ein Menschenleben wiegen viele Menschenleben. Das Wort Opportunitätsprinzip ist Ihnen ein Begriff?«
»Wir hier in der Provinz halten uns an das Legalitätsprinzip.«
»Was für eine untergeordnete Behörde wie die Ihre auch durchaus angemessen ist. Sie werden sich aber damit abfinden müssen, dass es auf politischer Ebene hin und wieder Dinge gibt, die schwerer wiegen als das Leben irgendwelcher russischer Mafiahilfskräfte.«
Ich schluckte hinunter, was ich dem Ministerialdingsbums gerne an den Kopf geworfen hätte, und legte auf.
»Gute Nachrichten«, verkündete ich Balke Augenblicke später am Telefon. »Sie können alles stehen und liegen lassen und sofort nach Hause gehen. Wir haben strikte Weisung, sämtliche Aktivitäten einzustellen.«
Balke schwieg lange.
»Okay«, sagte er dann und hustete. »Dann soll Schivkov die zwei meinetwegen auch noch abknallen. Mir persönlich ist das ja so was von schietegal.« Wieder schwieg er für Sekunden. »Sie sind ganz schön stinkig, was?«
Ich atmete zweimal tief durch. »Mich ärgert, dass man einfach so, angeblich im Dienst höherer Interessen, den Tod von Menschen in Kauf nimmt. Auch wenn diese Menschen zugegebenermaÃen nicht zur netten Sorte gehören. Mich ärgert aber noch viel mehr, dass man es nicht für nötig hält, mich darüber aufzuklären, worum es bei diesem ganzen Irrsinn eigentlich geht.«
Ich warf den Hörer aufs Telefon und drückte die Direktwahl zu Balke gleich noch einmal.
»Und vergessen Sie nicht, Ihre Undercoveragentin aus Schriesheim abzuziehen. Frau Krauss wird sich freuen, wenn sie den Rest ihres Urlaubs zu Hause verbringen darf.«
»Ich werde Evalina sofort anrufen.« Ich hörte Balkes Grinsen durchs Telefon. »Die Arme langweilt sich sowieso allmählich zu Tode.«
»Und vergessen Sie auch nicht, mir die Rechnung für das möblierte Zimmer zu bringen, oder was immer Sie da ohne mein Wissen angemietet haben.«
»Gibt keine Rechnung.« Bei aller Müdigkeit und allem Frust brachte Balke noch ein Lachen zustande. »Nachdem die alte Vermieterin spitzgekriegt hat, dass Evalina Polizistin ist und es um die Russin geht, hat sie ihr sogar kostenlos Frühstück und Mittagessen gemacht.«
Als ich auflegte, bemerkte ich, dass Sönnchen â vermutlich schon seit einiger Zeit â in der Tür stand.
»Arg schlimm?«, fragte sie mitfühlend, setzte sich mir gegenüber auf einen Besucherstuhl und stellte einen duftenden Cappuccino vor mich hin, den ich in diesem Augenblick sehr gut brauchen konnte. Ich nahm einen Schluck und stieà an Stelle einer Antwort ein wütendes Knurren aus. Dann erzählte ich ihr, worum es bei dem gegen Ende ziemlich lautstarken Telefonat mit dem unsympathischen BMW i-Beamten gegangen war. In den letzten Tagen hatten wir uns kaum gesehen, und es tat mir gut, mit einem normalen Menschen zu sprechen. Ich fragte sie, wie es beim Zahnarzt gewesen war, und natürlich war es schlimm gewesen.
»Eine
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