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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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geredet habe.«
    Â»Mit niemandem. Warum sollte ich?«
    Nicht zu überhören: Er war noch immer sauer auf mich.
    Â»Auch nicht am Telefon?«
    Â»Wozu?«
    Wer außer den Zwillingen, Klara Vangelis und Sven Balke konnte noch von meiner privaten Katastrophe wissen? Solange ich auch grübelte, das Ergebnis war und blieb: niemand.
    Plötzlich war da noch etwas anderes. Etwas, was mit dem Treppenhaus der Polizeidirektion zu tun hatte. Inzwischen war ich wieder zu Hause, tauschte die trockene gegen die feuchte Hose, zog die Strümpfe aus und bewaffnete mich erneut mit Eimer und Lappen.
    Ein Funkzünder.
    Aber warum?, fragte ich mich beim Wischen und Auswringen und Wischen. Eine Fernzündung wählt man, wenn man nicht genau weiß, wann das potenzielle Opfer wo sein wird. Damit man die Sache unter Kontrolle hat und die Bombe nicht im falschen Moment explodiert. In diesem Fall war sie aber zum falschen Zeitpunkt explodiert, denn Slavko Dobrev hatte überlebt.
    Ich ließ den Lappen in den schon wieder halb vollen Eimer platschen und setzte mich auf einen Küchenstuhl. Entweder es war Dummheit oder Schusseligkeit gewesen oder vielleicht ein technischer Fehler. War es denkbar, dass der Plastiksprengstoff auf Grund einer Störung zum falschen Zeitpunkt detoniert war? Vielleicht hatte ein Handy in der Nähe den Empfänger unabsichtlich ausgelöst? Sollte es gar mein eigenes Handy gewesen sein? Das hatte ich in der rechten Hosentasche getragen, glaubte ich mich zu erinnern, und es war eingeschaltet gewesen, in diesem Punkt war ich mir sicher. Allerdings war die Bombe ja – zu meinem Glück – gar nicht in dem Moment explodiert, als ich ihr am nächsten war, sondern erst Sekunden später.
    Ich verstand zu wenig von technischen Dingen. Um diese Uhrzeit am Samstagabend noch jemanden zu erreichen, der mehr darüber wusste, war unmöglich. Der Einzige, der mir einfiel, war Balke. Aber den würde ich heute bestimmt nicht noch einmal anrufen. Und war das alles wirklich so wichtig?
    Nein, beschloss ich. Mein Küchenboden war jetzt wichtig. Und dann Theresas Buch. Hin und wieder haben auch Kripochefs dienstfrei.

    Eine halbe Stunde später war meine Küche von den letzten Pfützen befreit, ich ließ die Balkontür offen stehen, damit der Rest trocknen konnte, räumte den Eimer in den Besenschrank und hängte die nasse Hose und den Putzlappen auf den Balkon. Dann entdeckte ich, dass Theresa schon vor einer Stunde per SMS angefragt hatte, wie es denn nun aussah bei mir. Ob wir uns heute außer der Reihe treffen konnten, nachdem ich gestern wegen der Wasserleiche hatte absagen müssen. Sie klang nicht gerade gekränkt, schien aber auch nicht allzu weit davon entfernt zu sein.
    Erschöpft schrieb ich zurück. Von der Überschwemmung, dem Bombenanschlag, dem drohenden Mafiakrieg. Dass ich selbstverständlich enorme Lust hätte, sie zu treffen, aber unbedingt endlich ihr Buch zu Ende lesen wollte. Sie antwortete nicht. Vielleicht hatte sie ihr Handy inzwischen ausgeschaltet. Oder sie war nun doch beleidigt.
    Nichts auf der Welt ist so ungenießbar wie eine versetzte Frau.
    Zur Feier meines Triumphs über die Wassermassen öffnete ich eine Flasche Rioja, setzte mich auf den Westbalkon und schlug Theresas Buch auf. Sie begann mit einer launigen Abhandlung über die Moral des ausgehenden Barocks und beginnenden Rokokos. Eine Moral, die – wie vermutlich immer, seit es Menschen und Regeln gab – aus Sicht der großen nur für die kleinen Leute gedacht war. An den Höfen hatte man zu heiraten, wen die Familie aus dynastischen Gründen für passend hielt. Liebe und solche Kleinigkeiten spielten keine Rolle. Dafür hielt man sich dann nur zu oft in anderen Betten schadlos. Theresa zitierte aus der Sittenstrafordnung für Dirnen des Heidelberger Kurfüsten Ott-Heinrich aus dem Jahr 1532 (»Sollen sich die ledigen Weibspersonen keusch halten bis zur Ehen, und dieda, so solches missachten und nur zu ihrer Freuden sich lassen von Mannsleut beschlafen oder gar solche hierzus verführen, ihnen gar dafür noch Münz oder Wertens abnehmen, sollen strenglicher Straff unterzogen werden sonder Gnaden …«) und schlug anschließend einen großen Bogen von Versailles über Stuttgart und Ludwigsburg nach Heidelberg und Mannheim. Die Mätressen von Ludwig XIV ., dem berühmten Sonnenkönig

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