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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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mit normaler Lautstärke weiter: »Wenn aus Ihrer Sicht alles in Ordnung ist, Herr Kriminaloberrat, dann können Sie den Herrn jetzt mitnehmen.«
    Wortlos setzte ich mich hinter das Lenkrad, ließ den Motor an und sagte: »So treffen wir uns also auch mal außerhalb der Direktion, Herr Liebekind.«
    Â»Danke.« Mein Chef und zugleich Theresas Ehegatte ließ sich mit einem abgrundtiefen Seufzer in die Rückenlehne fallen. »Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, als Leitender Polizeidirektor homosexuell zu sein?«
    Â»Wir haben schon homosexuelle Oberbürgermeister und einen bekennend schwulen Außenminister.«
    Â»Das ist etwas völlig anderes.«
    Womit er zweifellos recht hatte. In seinem Fall ging es ja nicht nur um die Reaktion der angeblich so aufgeklärten und toleranten Öffentlichkeit, sondern um das Gemunkel und Gemurre in der Mannschaft. Ein Polizist, noch dazu in leitender Funktion, hatte so wenig schwul zu sein wie ein Bundesligaspieler oder ein General.
    Â»Doch«, sagte ich, als wir den Ort hinter uns ließen und auf der unbeleuchteten Bundesstraße waren. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie ziemlich viel Versteck spielen müssen.«
    Liebekind brummelte etwas, was nach Zustimmung klang. Lange Zeit schwiegen wir. Erst, als ich längst wieder auf der A  6 war, sprach mein Chef wieder. Versuchte zu erklären, wo er nichts zu erklären brauchte.
    Â»Sie sind der einzige Mensch, bei dem ich sicher sein konnte, dass er mich nicht verraten wird.«
    Â»Ihr Vertrauen ehrt mich.«
    Â»Sie haben mich seit heute in der Hand, lieber Herr Gerlach.«
    Â»Sie haben mich in der Hand, seit Sie mein Chef sind. Ich nehme an …« Nun musste ich doch schlucken. »Ich nehme an, Sie wissen, was Ihre Frau …?«
    Natürlich wusste er es. Vom ersten Tag an hatte er es gewusst. Und geschwiegen. Es war ein Deal gewesen zwischen ihm und Theresa. Ich war ein Deal gewesen. Und ich Idiot, ich Riesenknallkopf …
    Wieder schwiegen wir lange.
    Â»Ich nehme an, Sie haben Ihre … Neigung erst entdeckt, nachdem Sie verheiratet waren?«, wagte ich schließlich zu fragen.
    Â»So ist es. Es war eine Katastrophe, für mich und natürlich auch für Theresa. In meiner Position geht so etwas einfach nicht, verstehen Sie?«
    Â»Ich verstehe Sie vollkommen. Es ist nur … Ich werde ein paar Tage brauchen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Sie die ganze Zeit gewusst haben …«
    Â»Ich war und bin froh, dass Sie es sind, lieber Herr Gerlach. Auch für Theresa war die Situation nicht einfach. Unsere Ehe existierte längst nur noch auf dem Papier, als Sie ins Spiel kamen. Wir hatten schon von Scheidung gesprochen. Obwohl wir uns auf der menschlichen und auf der intellektuellen Seite nach wie vor sehr gut verstehen. Aber dann kamen Sie, und auf einmal war alles gut.«
    Er hatte es gewusst, die ganze Zeit gewusst, und ich Narr hatte ihm ins Gesicht gesehen, wenn wir miteinander sprachen, und mir eingebildet, ein guter Schauspieler zu sein. Über die aktuellen Fälle hatten wir diskutiert, unsere Statements bei der nächsten Pressekonferenz abgesprochen, und er hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich in der Nacht zuvor mit seiner Frau im Bett gelegen hatte.
    War ich wütend? Hatte ich irgendeinen Grund, irgendein Recht, wütend zu sein?
    Theresa hatte mich nie belogen. Vom ersten Tag unserer Beziehung an war klar gewesen, dass mich ihre Ehe nichts anging. Da hatte es immer eine scharfe Grenze gegeben. Auf der einen Seite waren sie und ich. Auf der anderen Seite waren sie und Liebekind. Und dazwischen war eine Mauer. Eine hohe, glatte Mauer, wie die in Schriesheim. Natürlich hatte ich geahnt, dass jenseits dieser Grenze manches nicht so war, wie es sein sollte. Aber das war nicht meine Sache gewesen. Meine Sache war Theresa, solange sie bei mir war. Vor wenigen Monaten erst, im Februar, hatten wir uns unsere Liebe gestanden.
    Hatte ich jetzt nicht allen Grund, mich zu freuen? Künftig würde alles einfacher sein, viel einfacher. Kein Versteckspielen mehr, kein schlechtes Gewissen, keine feuchten Hände, wenn ich überraschend zum Chef bestellt wurde.
    Es war ein Deal gewesen. Ich war ein Deal gewesen. Er gönnte sich seine Freiheiten und seiner Frau die ihren. Und ich war eben ein Teil dieser Freiheiten gewesen. Kein Grund zur Klage. Ich musste mich nur erst daran gewöhnen. Ich

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