Der fünfte Mörder
beiden anderen sind Handynummern, die aber nicht auf ihren Namen laufen. Der Typ hatte über dreihundert Nummern im Telefonbuch. Wird seine Zeit dauern, die alle zuzuordnen. Unsere Wasserleiche ist übrigens nicht darunter, das habe ich gleich als Erstes gecheckt.«
»Zweitens?«
»Prembeck müssen wir leider abhaken. In seinem Koffer habe ich neben ein paar Klamotten ungefähr dreiÃig hochwertige Grafikkarten für PC s gefunden, jede mit einem Marktwert von circa zweihundertfünfzig Euronen. Auf seinen Kontoauszügen sind massenhaft Zahlungseingänge von PayPal. Der Typ verhökert Computerteile bei eBay. Neben Grafikkarten auch CPU s und Festplatten.«
»Damit lässt sich Geld verdienen?«
»Auf seine Weise schon. Die Teile sind alle gefälscht. Raubkopien made in China oder Vietnam. Ist eine regelrechte Pest heutzutage. Sogar Autoersatzteile werden schon gefälscht, habe ich mal gelesen. Bremsklötze, Radlager, Kolbenringe, alles Mögliche.«
Kolbenringe? Hoffentlich zählte Herr May nicht zu denen, die gefälschte Ersatzteile einbauten. Ich sprang auf und öffnete ein Fenster. Heute war der Himmel trüb, es war windig, die Sonne ein gleiÃender, weiÃer Fleck. Aber die Luft war immer noch warm.
Als ich wieder Platz nahm, schob Balke ein Foto über den Tisch.
»Kennen Sie den?«
»Ist das nicht Akimov, der Edelgastronom?«
Er nickte. »Und sehen Sie auch, wo er gerade ist?«
»Das dürfte die Haustür der Russin sein, mit der er angeblich nichts zu tun hat. Er drückt jemandem die Hand.«
Das Foto war mit Hilfe eines guten Teleobjektivs aus gröÃerer Entfernung aufgenommen worden. Ich fragte lieber nicht, woher mein plötzlich schelmisch grinsender Untergebener es hatte. Ich konnte es mir denken.
»Ansonsten ist übrigens die meiste Zeit tote Hose in Schriesheim«, sagte er. »Die Dame verlässt das Haus nicht mehr, und ihre Gorillas stehen sich die FüÃe platt.«
»Hat sie die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt?«
»Sieht nicht so aus. Aber jetzt halten Sie sich fest, jetzt kommt der Hammer des Tages: Die DNA , die wir im Tunnel gefunden haben, ist definitiv von Schivkov. AuÃerdem waren da Spuren von einem anderen, die wir momentan noch nicht zuordnen können. Vielleicht von Dobrev, vielleicht von einem Dritten.«
Er schwieg für einen Moment, als wäre ihm ein Gedanke gekommen. Dann sah er mir ins Gesicht. »Halten Sie es für möglich, Chef, dass die zwei Morde und der Bankraub nichts miteinander zu tun haben?«
»Für möglich halte ich im Augenblick noch alles«, erwiderte ich. »Aber für wahrscheinlich halte ich es nicht.« Ich stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und rieb mir mit beiden Händen das Gesicht. »Für mich sieht das Ganze nach einem Rachefeldzug aus. Schivkov erschieÃt Leute von Frau Lebedeva und plündert ihre SchlieÃfächer aus. Da muss irgendwas gewesen sein in der Vergangenheit, weshalb er sie hasst.«
»Aber, mal ehrlich, wäre das nicht kompletter Irrsinn? Zwei Leutchen gegen eine halbe Armee? Er wäre ja wahnsinnig.«
»Wer sagt uns, dass er nicht wahnsinnig ist?«
Balke erhob sich seufzend. In letzter Sekunde fiel mir Rosalind Dobrevs Karton ein. Ich schob ihn über den Tisch. »Sehen Sie mal, ob Sie mit den Sachen was anfangen können.«
Abends um kurz vor fünf summte wieder einmal mein Telefon.
»Eine Frau Goetsch«, sagte Sönnchen. »Es sei privat.«
Ich erinnerte mich an den Namen. Frau Goetsch war Oberstudienrätin am Helmholtz-Gymnasium, der Schule, die meine missratenen Töchter besuchten. Mein Adrenalinpegel schoss in ungeahnte Höhen.
»Sie sind schwer zu erreichen, Herr Gerlach«, begann die Lehrerin leutselig.
»Ich habe leider viel zu tun.«
»Das denke ich mir. Ich rufe Sie an in meiner Eigenschaft als Klassenlehrerin Ihrer Töchter.«
»Das hatte ich befürchtet.«
Ich nahm die Brille ab, warf sie auf den Schreibtisch und ergab mich in mein Schicksal.
»Ist Ihnen bekannt, dass Ihre Töchter regelmäÃig Alkohol trinken?«
»Nein«, musste ich gestehen. »Bisher eigentlich nicht.«
»Ich rühre selbst keinen Alkohol an. Deshalb kann ich es riechen, wenn jemand welchen getrunken hat. Es ist auch schon vorgekommen, dass Sarah und Louise im Unterricht eingeschlafen sind.«
Das wurde ja
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