Der fünfte Mörder
Geschäftsführerin?«
Langsam schüttelte sie den Kopf mit den müden Augen und der inzwischen ziemlich derangierten Föhnfrisur.
»Verkäuferin«, murmelte sie kläglich und sah zu Boden, als müsste sie sich schämen.
Auch die zweite Frau, die ich an diesem Tag besuchte, war nicht erfreut über mein Kommen. Aber immerhin schrie sie mich nicht an.
»Sie schon wieder«, stöhnte Rosalind Dobrev zur BegrüÃung. Aber ihr Blick war heute fast freundlich.
In der Wohnung war es still.
»Bitte entschuldigen Sie â¦Â«
»Schon okay.« Sie wandte sich um und lieà die Tür offen stehen.
Kurz darauf saÃen wir zum zweiten Mal in ihrer heute aufgeräumten Küche.
»Wo sind denn Ihre Kinder?«, fragte ich.
»Weg«, erwiderte sie. »Das Jugendamt. Ist vielleicht besser so. Haben Sie Slavko gefunden? Ist er tot?«
»Nein. Und seinen Onkel haben wir leider auch nicht aufspüren können. Ob Ihr Mann noch lebt, kann ich nicht sagen. Ich hoffe es natürlich.«
»Der kommt nicht mehr«, murmelte sie. »Ich weià es.«
Sie legte die Hände auf die Tischplatte und stemmte sich hoch. Dann drückte sie einige Knöpfe an einer teuer aussehenden, vollautomatischen Espressomaschine, die ich beim letzten Besuch noch nicht hier gesehen hatte.
»Auch einen?«, fragte sie über die schmale Schulter.
»Kann Ihre Maschine auch Cappuccino?«
»Weià gar nicht, was die alles kann. Mal sehen.«
»Ich würde mit Ihnen gerne noch einmal über Ihren Mann reden«, sagte ich, als sie mir wieder gegenübersaà und zwei duftende Tassen zwischen uns standen. Für sich selbst hatte sie eine groÃe Tasse Milchkaffee gemacht.
»Wenn es sein muss. Fragen Sie.«
»Sie können ganz offen antworten. Es interessiert mich nicht, ob Sie Ihren Mann aus Liebe geheiratet haben oder weil er dringend eine Aufenthaltserlaubnis brauchte.«
»Jetzt fragen Sie endlich«, unterbrach sie mich fast grob. »Trinken Sie Ihren Kaffee, und dann lassen Sie mich endlich in Frieden.«
Sie hatte sich hübsch gemacht, fiel mir erst jetzt auf. Die Lippen geschminkt, die Augen. Eine bunte Kullerkette zierte ihren mageren Hals, ein goldenes, möglicherweise wertvolles Band das Handgelenk. Ihr Blick war von einer Sekunde auf die andere sehr müde geworden.
»Wie lange sind Sie verheiratet?«
»Neun Jahre, elf Monate und ein paar Tage«, erwiderte sie ohne zu rechnen.
»Hat er jemals hier gewohnt?«
»Anfangs schon. Sie haben recht, natürlich, es ist eine Scheinehe. Damals, wie er nach Deutschland gekommen ist, hätte er als Bulgare noch nicht so ohne Weiteres eine Aufenthaltserlaubnis gekriegt. Anfangs haben wir wirklich zusammen hier gewohnt. Ist eigentlich ganz okay gewesen, auch wenn er immer schon ein Windhund und Hallodri gewesen ist. Wie der Alte hier aufgetaucht ist, da ist Slavko immer seltener gekommen. Aber er hat immer mal vorbeigeguckt. Geschenke für die Kinder gebracht und Geld. Nicht nur für David. Slavko ist alles in allem kein schlechter Kerl. Er ist ein Idiot, aber ein schlechter Kerl ist er nicht.«
»David ist sein Sohn?«
Sie nickte mit gesenktem Blick. »Er ist jetzt zweieinhalb. Die ganze Zeit haben wir aufgepasst, dass nichts passiert. Und dann, wie er schon gar nicht mehr richtig hier gewohnt hat, da ist es dann doch passiert.« Gedankenverloren rührte sie in ihrer Tasse.
»Was hat er früher in Bulgarien gemacht? Was waren seine Pläne, als er nach Deutschland kam?«
Sie lachte schrill auf, verstummte sofort wieder, als wäre Lachen hier verboten. Ich nahm einen Schluck aus meiner Tasse und lobte den Cappuccino.
»Pläne«, wiederholte sie und lachte noch einmal kurz. »Reich wollt er werden. Ein dickes Auto haben. Was Männer so wollen, mein Gott.« Sie nippte an ihrem Milchkaffee, verzog das Gesicht und begann, Zucker hineinzuschaufeln. »In Bulgarien war er früher beim Militär gewesen. Davon hat er aber nicht gern erzählt. Hier wollt er anfangs irgendwas mit Import machen. Sachen aus Bulgarien einführen und hier verticken. Aber den ganzen Kram mit Zoll und Umsatzsteuer hat er nicht geblickt. Dann wollt er auf einmal Autos exportieren. Gebrauchte Autos, nach Bulgarien. Das ist für âne Weile sogar ganz gut gelaufen. Aber dann ging es immer schlechter. Seine Landsleute wollten bald auch keine
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