Der Fürst der Dunkelheit
sich hindurch; Mark war direkt hinter ihr.
Die Tür führte auf einen langen Gang.
Sie erreichte die Tür hinaus auf die Straße nur Sekundenbruchteile vor ihm. Sie stürzte nach draußen, er folgte und erwischte sie am Arm.
Sie wirbelte mit entblößten Reißzähnen herum, bereit zum Angriff. Doch er hatte bereits seine kleine Wasserpistole gezogen, schoss und traf sie genau zwischen den Brüsten.
Sie schrie auf.
Die Leute schauten zu ihnen hinüber.
“Polizei!”, schrie jemand. “Ruft die Bullen!”
“Er hat eine Kanone!”, brüllte jemand anders.
“Das ist bloß ’ne verdammte Wasserpistole”, mischte sich ein Dritter ein.
Auf jeden Fall konnte Mark es sich nicht leisten, hierzubleiben. Sie gaben wirklich ein lachhaftes Bild ab, die Stripperin mit dem dicken Make-up in dem Morgenmantel, er mit seiner Wasserpistole, dazu der von ihrer Brust aufsteigende Rauch.
Er musste etwas unternehmen, und zwar schnell. Er wollte seine Gefangene nicht verlieren, aber er wollte sie auch nicht vernichten.
Er wollte, dass sie ein paar Fragen beantwortete.
“Kommen Sie mit – jetzt sofort. Und seien Sie still. Sie wissen, was ich hier habe. Sie können sterben, oder Sie können mir helfen. Es ist Ihre Entscheidung.”
“Ich bin verletzt”, sagte sie jämmerlich.
“In zwei Sekunden sind Sie mehr als nur verletzt, wenn Sie nicht die Klappe halten und tun, was ich Ihnen sage”, versicherte er ihr.
Sie legte einen Arm um seine Schultern, als wären sie ein Paar. Die herumstehenden Gaffer nehmen jetzt vermutlich an, es ist bloß ein Streit unter Liebenden gewesen, dachte er.
“Das hat mich fast erwischt.”
“Fast, aber nicht ganz.”
“Zeigen Sie doch ein bisschen Mitleid”, flehte sie.
“So wie Sie das auch gerade vorhatten?”
“Ich wollte ihn ja nicht umbringen.”
“Das werden wir niemals mit Sicherheit sagen können, oder? Seien Sie endlich still und kommen Sie mit, sonst tauchen noch die Bullen hier auf. Und dann werde ich Sie doch noch töten müssen, denn laufen lassen kann ich Sie auf keinen Fall”, versprach er ihr. “Gehen wir.”
Die ältere Frau, die Sean Canady gegenübersaß, war sehr aufgebracht. Der Beamte am Empfang hatte ihr zu erklären versucht, dass sie noch keine Vermisstenanzeige aufgeben könnte, weil die vermisste Person noch nicht lange genug abgängig war. Schließlich war sie erwachsen; anders als bei Kindern musste da achtundvierzig Stunden abgewartet werden.
Aber die Frau wollte nicht nachgeben.
Sie sagte, ihr Name sei Judy Lockwood. Sie habe ihre Nichte Leticia großgezogen, seit deren Vater, ihr Bruder, verstorben sei. Damals sei Leticia noch ein kleines Mädchen gewesen. Nun sei sie eine entzückende junge Dame. Sie arbeite als Schwester im Krankenhaus, und dort habe sie nicht einen Tag wegen Krankheit gefehlt. Sie gehe in die Kirche; sie komme abends immer pünktlich nach Hause.
Aber letzte Nacht sei sie nicht nach Hause gekommen. Und heute Morgen nicht zum Dienst im Krankenhaus erschienen.
Weil Sean darauf bestanden hatte, dass ihm alles berichtet wurde, was auch nur im Geringsten ungewöhnlich war, hatte man Judy schließlich in sein Büro geführt.
Kaum vernahm er die beiden Schlüsselworte “vermisst” und “Krankenhaus”, da rief er auch schon Mark Davidson an.
Die Frau, die da kerzengerade vor ihm saß, war schlank, trug ein sauberes, perfekt gebügeltes Kleid und roch nach frischer Luft. Sie trug ihre Würde mit sich herum wie einen Mantel; sie sang im Kirchenchor und wusste genau, was richtig war und was falsch. Seans Herz zog sich zusammen, während er mit ihr sprach. Er betete, dass mit ihrer Nichte alles in Ordnung wäre. Was er allerdings bezweifelte – obwohl sie nach allem, was er hörte, eine völlig andere Person war als die bisherigen Opfer, deren bedauernswerte Überreste aus dem großen, mächtigen Fluss gezogen worden waren.
“Wann ist Ihre Nichte zuletzt gesehen worden, Miss Lockwood?”, fragte er.
“Erst gestern Abend – ich weiß, ich weiß, das ist noch nicht lange genug her, aber ich versichere Ihnen, da stimmt etwas nicht. Sie hat sich nach der Übergabe von Bess Newman verabschiedet, die ihre Schicht übernahm. Bess hat gesagt, sie wäre später als die anderen gegangen. Leticia bleibt immer länger, um sicherzugehen, dass alle Formulare korrekt ausgefüllt und alle ihre Patienten ordentlich versorgt sind. Sie ist wirklich eine sehr gute Krankenschwester, Lieutenant Canady”, versicherte sie ihm.
“Aber seit sie
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