Der Fürst der Maler
notfalls mit Waffengewalt. Jakob Fuggers Goldgulden würden ihm den Weg nach Rom pflastern.
Julius warf Giovanni und Giuliano de’ Medici finstere Blicke zu. Verdächtigte er die beiden Medici-Brüder, Cesare Borgia befreit zu haben?
»Wo ist der ›Drache‹ jetzt?«, fauchte er.
»Auf dem Weg nach Pamplona, der Hauptstadt von Navarra«, antwortete der Bote. Das Königreich Navarra trotzte den größeren Nachbarn Frankreich im Norden und Kastilien und Aragon im Süden.
»Jean d’Albret, der König von Navarra, ist sein Schwager. Er wird ihm Schutz gewähren – bis Cesare stark genug ist, den Weg nach Osten zu nehmen. Nach Rom. Mit oder ohne Maximilian im Gepäck«, sinnierte Julius.
»Ihr glaubt, dass Maximilian weiß, dass der Borgia entkommen konnte?«, fragte Francesco Gonzaga vorsichtig.
»Natürlich weiß er es. Über Jakob Fuggers Nachrichtensystem. Es heißt, dass Meldungen von seinen Bergwerken in Südspanien nicht länger als zwei Stunden brauchen, bis sie in Augsburg sind. Dieser Augsburger Goldscheißer nutzt reflektierende Spiegel für die Nachrichtenübertragung! Wahrscheinlich hat Maximilian die Meldung auf der Rückseite eines seiner Schuldscheine gelesen.«
»Was willst du nun tun, Giuliano?«, fragte Guido.
Francesco warf mir einen beunruhigten Blick zu.
»Dem Kriegsgott Mars Opfer bringen«, polterte Julius. »In die Schlacht ziehen! Was sollte ich wohl sonst tun, wenn ich nicht will, dass der ehemalige Kardinal von Valencia der nächste Papst wird? Mit einem von Maximilian finanzierten Konklave!«
»Was ist mit dem geplanten Feldzug gegen Bologna?«, fragte Francesco Gonzaga.
»Der wird fortgesetzt«, fauchte Il Terribile. »Und dann entreißen wir den arroganten Venezianern die Romagna. Für Cesare Borgia wird nicht eine Hand voll Erde übrig bleiben, die er regieren könnte.«
Nicht alle Wege führen nach Rom. Der Weg des Papstes führte ihn schon am nächsten Tag nach Bologna, das der Condottiere Gottes in einem Triumphzug betrat und der Herrschaft der Kirche unterwarf. Guidobaldo da Montefeltro begleitete Julius als sein Gonfaloniere, Francesco ritt neben seinem Onkel als einer seiner Heerführer.
In den Palast der Bentivoglio schlug der Blitz des Kirchenbanns, Giovanni Bentivoglio wurde exkommuniziert und aus Bologna vertrieben, der Palast geplündert und in Brand gesteckt.
Dann wartete Julius auf Cesare Borgia.
Nach Giovanni de’ Medicis und Alessandro Farneses Abreise ins eroberte Bologna blieb ich noch ein paar Tage im Palazzo Ducale und vollendete das begonnene Porträt von Eleonora. Stundenlang saß sie mir Modell, manchmal mit dem kleinen Luca auf dem Arm. In Urbino entstanden meine schönsten Entwürfe für Madonnenbilder, die ich nicht mehr di colore, mit Farbe, oder di luce, mit Licht, sondern mit Liebe malen wollte. Die Madonna als liebende Mutter, nicht als unnahbare Himmelskönigin. Das Jesuskind als ihr verspielter Sohn, nicht als Agnus Dei, als Lamm Gottes.
Eleonora und ich verbrachten viel Zeit miteinander, aber wir kamen uns nie näher als es für die künftige Herzogin und ihren Cortegiano angemessen erschien. Francescos Worte waren unmissverständlich gewesen …
Das Lieben und das Malen lernt man nicht durch den Willen, sondern – wie würde Leonardo sagen? – durch die Beherrschung von Theorie und Praxis. Statt Eleonora zu lieben, zu streicheln, zu küssen, malte ich sie. Die Kunst der Malerei unterschied sich in nichts von der Kunst der Liebe. Beide waren weniger Inspiration als mühevolle Arbeit, das ständige Selbstbefragen, die Erforschung des anderen, das Erkennen und Eingestehen von Irrtümern, das stetige Verändern und Verbessern: das Übermalen unzähliger Lasuren, die man für die objektive Wahrheit hielt. Die Vollkommenheit kann in keiner dieser beiden Künste erreicht werden, weder in der Perspektive noch in der Haltung, noch in der Sinnlichkeit.
Das Wichtigste ist jedoch nicht die Perfektion der Darstellung – die Fähigkeit, geliebt werden zu können und sich lieben zu lassen –, sondern das beständige Arbeiten des Künstlers an sich selbst: die Entwicklung der Fähigkeit zu lieben. Sich zu öffnen. Sich hinzugeben. Und sich zu verschenken an den anderen.
Die Liebe ist die Fähigkeit, die Einzigartigkeit des Geliebten zu erkennen. Die Malerei ist die Begabung, diese Individualität darzustellen. Die Seele zu malen.
Ende November, als die ersten Nachrichten von Cesare Borgias Ankunft in Pamplona eintrafen, gab ich Gio’ und
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