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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Farben reichen würde. Reisegeld, Unterkunft und Mahlzeiten würde ich aus eigener Tasche bezahlen müssen.
    Ich arbeitete so schnell am Fresko, dass Gianni mich eines Abends auf unserem Heimweg zu einer heißen Linsensuppe Il Furioso nannte – was entweder der Schnelle heißen konnte, oder aber der Wütende. Tatsächlich malten Gianni, Gio’ und ich den oberen Teil des Freskos mit der Trinità und den sechs Heiligen in nur fünf Tagen. Ich bezog die Madonna in ihrer Nische in die Komposition der Figuren mit ein und ersparte mir so einen Tag Arbeit. Außerdem trugen die Heiligen nur weiße Gewänder – ich verschwendete keine Unze Rot oder Blau, denn die orientalischen Farben waren teurer als zwölf Dukaten.
    An dem Abend, als wir den oberen Teil der Trinità von San Severo vollendet hatten und wir uns auf Violettas Polenta freuten, um uns nach der anstrengenden Arbeit in der eiskalten Kirche wieder aufzuwärmen, erwartete mich Atalanta Baglioni in Peruginos Bottega.
    Madonna Atalanta war eine Tante von Gian Paolo Baglioni, dem Machthaber von Perugia. Ich hatte sie kennen gelernt, als ihre Schwägerin Maddalena Oddi mich mit der Marienkrönung für die Kirche San Francesco beauftragt hatte. Madonna Atalanta wollte mich um eine Grablegung Christi für die Baglioni-Kapelle in der Kirche San Francesco bitten.
    Atalanta Baglioni hatte die Szene, die sie mich zu malen bat, im Juli 1500 selbst erlebt. Auch sie hatte – wie die Madonna – ihren toten Sohn Grifonetto auf dem Schoß gehalten. Grifonettos Cousin Gian Paolo Baglioni war bekannt als Liebhaber nicht nur unverheirateter Frauen. Das bösartige Gerücht, dass Gian Paolo hinter Grifonettos hübscher Gemahlin her war, hatte unter den Baglioni ein blutiges Massaker verursacht. Gian Paolo überlebte den Anschlag auf sein Leben, Grifonetto selbst starb in den Armen seiner Mutter in den Straßen von Perugia. Seine Gemahlin wurde in der Hochzeitsnacht Witwe.
    Ich lehnte den Auftrag höflich ab und schickte Madonna Atalanta zu Pietro, der gerade eines seiner Gemälde mit einer Schicht Firnis überzog und über einen neuen Auftrag erfreut sein würde. Um so mehr, da er von der Familie Baglioni kam, die in Perugia alle Fäden in der Hand hielt.
    Doch Pietro war das Thema des Bildes zu brisant, obwohl er das Geld dringend benötigte. Grifonettos Attentat auf seinen Cousin war noch nicht vergessen, und Gian Paolo Baglioni war trotz der Eroberung der Stadt durch Papst Julius noch immer der mächtigste Mann in Perugia, mit dem er es sich auf keinen Fall verscherzen wollte.
    Mich interessierte das Thema des Bildes, und so begann ich nach dem Abendessen vor dem Kaminfeuer mit Federzeichnungen am Rand meines Skizzenbuchs.
    Die erste Szene ähnelte sehr stark der Beweinung Christi, die Pietro 1495, in meinem ersten Lehrjahr als sein Garzone, für eine Kirche in Florenz gemalt hatte: Christus, am Boden hingestreckt – wie ein nasser Strohsack. Ich zerriss die Skizze und warf sie ins Feuer.
    Eine Stunde später bedeckten zwölf weitere Zeichnungen den Küchentisch, und eine Hand voll Lehrlinge sahen mir fasziniert über die Schulter, während ich eine Figurengruppe vor dem Eingang des Grabes skizzierte. Männer trugen den Leichnam mithilfe eines Schweißtuches, das sie an den vier Ecken gefasst hatten. Maria Magdalena hielt mit der Hand einen Arm Christi, während Seine Mutter vor Schmerz zusammenbrach.
    Pietro war zornig, weil er dachte, ich hätte Atalanta Baglionis Auftrag angenommen. Er tobte, nannte meine Skizzen Raffaellos Grablegung und mich einen Idioten, weil ich mich mit Gian Paolo Baglioni anlegen wollte.

    » Pax vobiscum! Der Friede sei mit euch!«, hallte die Stimme des Priesters durch den von hundert Kerzen erleuchteten Dom. Durch die bunten Glasfenster fiel das trübe Morgenlicht des ersten Adventssonntages.
    Violetta, die während der Messe meine Hand gehalten hatte, zog mich zum Domportal. Nach dem Mittagessen – sie hatte auf dem Markt einen Kapaun gekauft – wollten wir trotz Schnee und Kälte einen Ausflug nach Assisi machen. Ich wollte mir Giottos Fresken in der Kirche des Heiligen Francesco von Assisi ansehen – und natürlich mit Violetta allein sein. In einem Haushalt von zwei Maestros und acht Schülern war es schwierig, unbeobachtet auch nur zwei Worte zu wechseln – zärtliche Berührungen und leidenschaftliche Küsse waren unmöglich.
    Außerdem wollte ich der gedrückten Stimmung in der Bottega entkommen. Seit meinem Streit mit Pietro wegen der

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