Der Fürst der Maler
unerschütterliches Selbstvertrauen hatte mich fasziniert: Diesem Mann schien alles möglich! Wie mir selbst. Werde, der du bist. Geh deinen Weg. Wenn es sein muss, allein. Damals hatte ich mich entschlossen, nach Florenz zu gehen.
Doch nach dem Tod seines Vaters Alexander VI . und der Wahl von Julius als Pontifex Maximus war Cesare Borgia im Herbst 1503 als Heerführer der Kirche abgesetzt worden. Julius hatte den Herzog der Romagna gezwungen, seine Festungen der Kirche zu übergeben. Als Cesare sich weigerte, wurde er in seiner Wohnung im Vatikan gefangen gehalten. Dann hatte ein monatelanges Spiel zwischen Katz und Maus begonnen – Julius wollte die Herrschaft über die Festungen in der Romagna und Cesare sein Leben und seine Freiheit –, aber niemand wusste, wer von beiden die Katze und wer die Maus war!
Bei seiner verzweifelten Suche nach einem Freund hatte sich Cesare sogar an den Mann gewandt, den er durch die Eroberung von Urbino am tiefsten gedemütigt hatte: Herzog Guido. Die beiden Herzöge hatten sich im Vorzimmer des Papstes getroffen. Cesare soll vor Guido auf die Knie gesunken sein, um ihn um Vergebung zu bitten. Guido war großherzig genug gewesen, den Verzweifelten anzuhören. Cesare hatte versprochen, alle Schätze, die er in Urbino erbeutet hatte, zurückzugeben und Guido die Losungsworte seiner Festungen in der Romagna zu verraten. Als Gegenleistung hatte Julius seine Freiheit garantiert – aber auch nur, weil ihm angesichts der Macht der spanischen Kardinäle
im Vatikan nichts anderes übrig blieb, als den Drachen freizulassen.
Dem Spielbrett der Macht im Vatikan war er entkommen, aber Cesare verfing sich in einem Netz von Intrigen, das sich vom Vatikan bis nach Kastilien, Aragon und Frankreich erstreckte. Julius fürchtete um sein Leben, solange Cesare lebte. Die spanischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon brauchten vom Papst einen Dispens, der es ihrer Tochter Katharina von Aragon gestattete, Henry VIII ., den Prinzen von Wales, zu heiraten, und die Anerkennung ihrer Herrschaft im Königreich Neapel. Manus manum lavat – eine Hand wäscht die andere. War Cesare Borgia bei dieser ›Handwaschung‹ mehr als ein Stück Seife, das weggeworfen wurde, wenn es nicht mehr gebraucht wurde? Isabella und Ferdinand befürchteten, dass Cesare sich mit Louis XII . von Frankreich versöhnen könnte, der König Ferdinand Neapel, wo er seit 1503 als König herrschte, streitig machte – so wurde der Herzog der Romagna auf eine Galeone geschleppt und in der spanischen Stadt Medina eingekerkert.
Im Thronsaal lief Julius wie ein gereizter Tiger in seinem Käfig auf und ab. Herzog Guido stand, bleich und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinen Vertrauten Gian Andrea Bravo gestützt, neben Francesco. Er konnte sich nicht aus eigener Kraft aufrecht halten.
Caterina de’ Medici lehnte bleich am Fenster. Sie war in Rom Cesare Borgias Geliebte gewesen. Giovanni hatte mir erzählt, dass sie Papst Alexander und seinen Sohn vergiftet haben soll. Cesare habe das Attentat allerdings überlebt …
Der Marchese Francesco Gonzaga hielt sich im Hintergrund – Cesare Borgias Flucht schien ihn zu amüsieren. Glaubte er, dass er vom Bruder seiner Geliebten Lucrezia Borgia nichts zu befürchten hatte?
Ein Bote in staubbedeckter Kleidung kniete vor dem Papst und berichtete: »… ein Seil herabgeworfen. Der Herzog ließ sich daran herunter, aber seine Flucht war bemerkt worden. Das Seil wurde abgeschnitten, und er fiel in den Graben. Es war ein schwerer Sturz, und der Herzog war ohnmächtig und nicht mehr in der Lage aufzustehen. Er wurde von seinen Helfern zu den wartenden Pferden getragen und in den Sattel gehoben.«
»Er hatte also Helfer?«, donnerte der Papst.
»Das ist doch offensichtlich, Giuliano«, warf Guido blass ein. »Wie könnte Cesare sonst aus Medina fliehen?«
»Wer wäre solch ein Idiot, den ›Drachen‹ zu befreien?«, fragte Julius seinen Schwager.
»Jemand, der Giuliano della Rovere nicht als Papst anerkennt. Jemand, der sich zutraut, Cesare Borgia für seine eigenen Pläne einzusetzen. Oder jemand, der gerne von dir in Rom zum Kaiser gekrönt werden will. Such es dir aus, Giuliano.«
Julius setzte seine rastlose Wanderung durch den Thronsaal fort.
Im Sommer hatte Maximilian von Habsburg, der ›Letzte Ritter‹, wie Albrecht Dürer ihn scherzhaft nannte, Papst Julius von seinem Wunsch in Kenntnis gesetzt, nach Rom zu kommen, um sich als Kaiser krönen zu lassen –
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