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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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er nicht gerade auf der Flucht vor der Unfreiheit war …
    Julius bemerkte mein Zögern. »Weißt du, was die Nazarener zum Messias sagten, als er nach Hause kam? Sie sagten: Ist das nicht der Sohn von Joseph dem Zimmermann? Und wirst du nicht immer der Sohn von Giovanni Santi bleiben, wenn du Urbino nicht verlässt? So wie ich immer der Sohn meines Vaters geblieben wäre, wenn ich Savona nicht verlassen hätte! Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Lies nach im Evangelium des Matthäus! Und weißt du, wie der nächste Satz des Evangelisten lautet? Er heißt: Und wegen ihres Unglaubens tat er dort nur wenige Wunder.
    Komm nach Rom, Raffaello! Tu dort deine Wunder! In Rom hast du eine Zukunft – hier in Urbino hast du nur eine Vergangenheit.«

    »Julius hat Recht! Alle Wege führen nach Rom«, sagte Giovanni de’ Medici am nächsten Tag. »Und die Tore des Vatikans stehen dir weit offen.«
    Giovanni sah mir über die Schulter und verglich das Porträt von Giuliano, das ich vor wenigen Tagen begonnen hatte, mit den Zügen seines Bruders, der mir Modell saß.
    »Das sagst du mir, Giovanni, ein Florentiner?«, fragte ich und ließ den Pinsel sinken. »War es nicht der Florentiner Paolo Toscanelli, der Florenz, und nicht Jerusalem oder Rom, im Jahr 1474 in die Mitte seiner Weltkarte setzte?«
    Alessandro Farnese, der uns in meinem Atelier im Saal der Engel Gesellschaft leistete, gluckste. »Giovanni hat Recht! Florenz mag ja seit Toscanelli der Mittelpunkt der zivilisierten Welt sein. Aber Rom – das Ewige Rom – ist die Hauptstadt der Welt.«
    »Nicht alle Wege führen nach Rom«, sagte Giuliano de’ Medici. »Manche führen in die Neue Welt …« »… und wieder andere führen nach Florenz«, fuhr Giuliano geheimnisvoll lächelnd fort.
    In der ›Nacht der brennenden Taube‹ hatte Giovanni angekündigt, dass die Medici eines Tages nach Florenz zurückkehren würden. Welche Rolle spielte Giuliano in diesem Spiel um die Macht? Wollte er sich selbst zum Herzog krönen, wie Francesco es prophezeit hatte? Das konnte er nur, wenn sein Bruder Giovanni ihn unterstützte. Als Papst.
    »Und wann, mein lieber Giuliano, planen die Medici die Eroberung von Florenz?«, fragte Kardinal Farnese spitz. »Sag mir Bescheid, damit ich rechtzeitig meine Konten bei der Banca Taddei auflösen und mein Geld in Sicherheit bringen kann!«
    »Nach dem nächsten Konklave, mein lieber Alessandro«, flötete Giovanni mit einem honigsüßen Lächeln, bevor Giuliano antworten konnte. »Und mach dir um dein Geld keine Sorgen: Die Medici haben auch eine Bank. Mit Filialen in Florenz, in Rom und wo auch immer du dann als Kardinal deine Schäfchen scheren wirst.«
    Alessandro war neben Kardinal Riario Giovannis schärfster Konkurrent vor den Stufen zum Thron Petri. Er pflasterte sich seinen Weg mit dem Geld der Farnese und der Orsini. Seine Schwester Giulia, die er Papst Alexander als Geliebte ins Bett geschickt hatte, um Kardinal zu werden, war mit einem Cousin von Gian Giordano Orsini verheiratet gewesen. Giovannis Drohung, ihn als Kardinal aus Rom in die Provinz zu verbannen, ließ ihn zornig schweigen – obwohl er wusste, dass das Finanzimperium der Medici bankrott war.
    Paris de Grassis riss die Tür des Saals auf. Mit fliegender Soutane stürmte er in den Saal der Engel. Was war geschehen, das den sonst so beherrschten Zeremonienmeister des Papstes außer Atem brachte?
    »Kardinal de’ Medici! Kardinal Farnese! Seine Heiligkeit will Euch sofort sehen«, keuchte er. »Es wird Krieg geben!«
    Alessandro hatte sich erhoben. »Was ist denn los, Monsignor de Grassis?«
    »Cesare Borgia ist geflohen. Der Drache ist los! Es heißt, er sei auf dem Weg nach Italien. Wie ein zweiter Hannibal wird er die Alpen überqueren – er wird Seine Heiligkeit herausfordern.«
    Giovanni und Giuliano waren aufgesprungen und rannten mit Alessandro und Paris de Grassis zum Thronsaal.
    Was mochten die beiden Medici in diesem Augenblick denken? Giovanni sah sich selbst als Julius’ Nachfolger auf dem Stuhl Petri, und Giuliano wollte Herzog werden – wie Cesare Borgia!
    Ich folgte ihnen.
    Nur ein Mal war ich Cesare Borgia begegnet: nach der Eroberung von Urbino. Timoteo Viti hatte als bekanntester Künstler von Urbino den Triumphzug des Herzogs der Romagna inszenieren müssen – ich hatte ihm dabei geholfen. Cesare war ein Mann von überlegener Intelligenz, der genau wusste, was er wollte, und sein Ziel unbeirrbar verfolgte: Er wollte herrschen! Sein

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