Der Fürst der Maler
Fresken beschäftigt.
Bernardino schloss mich in die Arme, küsste mich auf die Wangen, dann schob er mich mit beiden Armen von sich, um mich zu betrachten. »Man sieht deinen Heiligenschein gar nicht. Er strahlt nicht hell genug«, grinste er.
»Was für einen Heiligenschein?«, fragte ich verblüfft.
»Tragen nicht alle Märtyrer einen Glorienschein?«
»Ich verstehe nicht …«
»Was, glaubst du, wird Baglioni tun, wenn du nach Perugia kommst? Vor dir in die Knie gehen? Dich um Gnade anflehen?«
»Ja, Bernardino. Genau so hatte ich mir meine Rückkehr nach Perugia vorgestellt«, lachte ich übermütig.
Wir blieben zwei Tage bei Bernardino Pinturicchio, dann brachen wir wieder auf. Von Siena aus wandten wir uns nach Osten. Über Arezzo und Città di Castello gelangten wir nach Perugia.
Vor der Porta San Angelo ließ ich Gio’ den Ochsenkarren anhalten und sprang vom Pferd. Es war ein heißer Sommertag, die Luft vibrierte, und am Horizont stiegen kobaltblaue Gewitterwolken in den silbernen Himmel.
Ich kletterte auf den Karren und wickelte die Grablegung aus den schützenden Decken, sodass sie für jedermann zu sehen war. Dann erst durchquerten wir das Stadttor.
Wie eine hanseatische Kogge durchpflügte der Ochsenkarren mit seiner Aufsehen erregenden Ladung die Menschenmenge in den engen Gassen von Perugia. Schwalben stürzten sich von den Dächern. Jenseits des Horizontes rollte der erste Donner des nahenden Gewitters.
Die Menschen blieben am Straßenrand stehen, um uns vorbeizulassen und um das Bild anzustarren. »Das ist Maestro Santi«, hörte ich einige Leute flüstern. »Raffaello«, fragten andere, »wohin willst du?«
»Zur Kirche San Francesco. Macht den Weg frei!«, rief ich. Einige Gefolgsleute von Gian Paolo Baglioni hatten es plötzlich sehr eilig. Sie verschwanden in der Seitenstraße, die zum Palazzo Baglioni im Osten der Stadt führte.
Gio’ sah unruhig zu den Gewitterwolken hinauf.
Der Ochsenkarren kam nur langsam voran. Viele Menschen wollten die Grablegung sehen. Und es wurden immer mehr, denn es sprach sich schnell herum, was darauf zu sehen war – oder besser gesagt: wer.
»Maestro Raffaello ist hier«, ertönte es von überall her. »Er ist zurückgekommen.«
»Er ist es wirklich.«
»Ein mutiger junger Mann!«
»Baglioni wird ihn umbringen …«
»Das wagt er nicht.«
Gianni sah mich beunruhigt an. Seine Hand ruhte am Griff des Dolches an seinem Gürtel. Ich schüttelte den Kopf und genoss meinen Triumphzug durch die Gassen von Perugia wie ein römischer Feldherr. Mir flüsterte kein Sklave ins Ohr: Te hominem esse memento – Bedenke, dass du nur ein Mensch bist!
Meine Via Triumphalis führte am Dom San Lorenzo vorbei, wo ich kurz vor Weihnachten meine erste Schlacht gegen Baglioni verloren hatte, zum Palazzo dei Priori. Dort bogen wir in die Via dei Priori ein.
Irgendjemand hatte Pietro Perugino von meiner Rückkehr berichtet. Er war von seiner Bottega in der Via Deliziosa herbeigerannt, um mit eigenen Augen zu sehen, was er nicht glauben wollte. Mit zusammengepressten Lippen stand er an der Kreuzung der Via dei Priori und starrte mich feindselig an. Die Zornesfalte hatte sich tief in seine Stirn gegraben.
Ich winkte ihm freundlich zu und setzte meinen Weg fort. Am Oratorio San Bernardino vorbei fuhren wir zur Kirche San Francesco. Als der Ochsenkarren vor der Kirche anhielt und ich vom Pferd sprang, um die Grablegung abzuladen, galoppierte Gian Paolo Baglioni mit seiner Schlägertruppe die Via dei Priori entlang.
Zornig schlug er mit der Peitsche auf diejenigen ein, die ihm im Weg standen. Direkt vor mir kam sein Pferd schnaubend zum Stehen. Er drohte mir mit der Faust, während der Donner in den blauschwarzen Gewitterwolken über uns grollte. Blitze zuckten, Wind kam auf. Das Bild auf dem Wagen beachtete er gar nicht.
» Buon di, Signor Baglioni! Welch eine Ehre für mich …«, begrüßte ich ihn mit meinem strahlendsten Lächeln.
»Schweig, Raffaello! Wie kannst du es wagen, nach Perugia zurückzukommen«, zischte er so leise, dass ich ihn zwischen den Jubelrufen der Schaulustigen kaum verstehen konnte.
Ich gab Gio’ und Gianni ein Zeichen, dass sie das Bild abladen und in die Kirche tragen sollten. Dann wandte ich mich wieder an Gian Paolo Baglioni. »Ich habe von der Familie Baglioni einen Auftrag für ein Altarbild erhalten, Signore«, sagte ich. »Vielleicht erinnert Ihr Euch, es war kurz vor Weihnachten.«
Baglioni sprang vom Pferd und kam drohend
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