Der Fürst der Maler
immer länger, und die Zeit zerdehnte sich zur Unendlichkeit. Wir wurden schläfrig.
»Bin ich satt«, stöhnte Francesco träge. »Ich brauche ein wenig Bewegung. Wie wäre es mit einer der olympischen Disziplinen?«
»Geht Ihr nur mit Signor Santi, Euer Exzellenz! Ich weiß, wie gerne Ihr beide durch die Hügel um Urbino lauft. Ich kann mit Euch nicht Schritt halten«, gestand Gian Andrea Bravo.
Francesco richtete sich auf. »Dann gebt mir die Ehre, Euch im Duell zu besiegen, Signor Bravo!«
»Gerne, Euer Gnaden! Aber es wird nicht Euer Sieg sein«, versprach der Vertraute des Herzogs und erhob sich.
Francesco knuffte mich in die Rippen. »Raffaello, komm! Ich nehme es mit euch beiden auf. Ich werde euch zeigen, wie ein Fürst kämpft und siegt.« Dann erhob er sich, ging ein paar Schritte und zog seinen Degen.
»Mit scharfen Waffen?«, fragte ich.
»Natürlich mit scharfen Waffen! Es soll doch ein vergnüglicher Nachmittag werden.«
Ich fragte mich ernsthaft, was Francesco unter einem vergnüglichen Nachmittag verstand, und ging zu meinem Pferd, um meinen Degen vom Sattel loszumachen. Als ich zum Kampfplatz zurückkehrte, hatten Francesco und Gian Andrea Bravo ihre Klingen gekreuzt. Beide waren in mehreren Schlachten kampferprobte Schwertkämpfer.
Francesco hatte seine Brokatjacke abgelegt und kämpfte mit offenem Hemd. Er jagte Gian Andrea Bravo über die Wiese. Seine Hiebe mit dem Degen wurden mit einer unglaublichen Schnelligkeit ausgeführt. Doch Bravo konnte sich verteidigen. Er konterte Francescos Angriffe mit eisernen Schlägen. Die Degen schlugen Funken.
Ich lenkte Francesco von Bravo weg, der nach einer Weile ermüdete, als Francesco immer wieder dieselben Tiefschläge gegen ihn führte. Dann ging ich auf ihn los.
»Du bist zornig, Raffaello«, lachte Francesco, als die Klinge meines Degens seinen Ärmel der Länge nach aufschlitzte. Er warf sich mit solcher Wucht gegen mich, dass er mich gegen einen Baum drängte. Sein Degen lag an meiner Kehle, der kalte Stahl bohrte sich in meine Haut.
»Wundert es dich, dass ich zornig bin? Du hast heute eine seltsame Art, dich zu vergnügen.« Ich machte einen Schritt nach vorne, hakte ein Bein hinter seine Knie und stieß ihn zurück.
Er stolperte rückwärts. »Warte ab, was noch kommt! Ich habe noch nicht einmal angefangen mich zu amüsieren.«
Bevor ich ihn fragen konnte, welche Überraschungen er noch für diesen Nachmittag geplant hatte, drängte sich Gian Andrea Bravo zwischen uns.
Trotz seiner schmerzhaften Verletzung am Arm warf sich Francesco auf ihn. Der Klang ihrer Degen hallte durch die Herbstluft. Sie schlugen aufeinander ein, als wollte jeder an dem anderen Rache nehmen für die Demütigungen der letzten Wochen.
Dann traf Francesco seinen Gegner am Knie, und der Vertraute des Herzogs taumelte ein paar Schritte rückwärts. Bevor er sich fangen konnte, verpasste Francesco ihm einen zweiten Schlag in die Hüfte. Bravo sah ihn mit vor panischem Entsetzen geweiteten Augen an, trat einen Schritt zurück und stolperte über die Wurzel eines Baumes. Er fiel zu Boden.
Ich drohte Francesco mit dem Degen, nicht auf den Hilflosen loszugehen, doch mit einem schnellen Hieb seiner Waffe schlug er mir die Klinge aus der Hand.
»Bist du verrückt geworden, Francesco?«, fragte ich und eilte dem am Boden liegenden Bravo zu Hilfe. Ich trat hinter ihn, um dem Verletzten auf die Beine zu helfen.
Francesco blickte auf uns herab. Mit den langen goldblonden Haaren, die sein Gesicht wie ein Heiligenschein umgaben, und mit dem blutigen Schwert in der Hand sah er aus wie ein Racheengel Gottes – vom Himmel herabgestiegen, um die Menschen zu richten. Doch – nach Gottes Gesetz oder seinem eigenen?
Ich packte Gian Andrea Bravo mit beiden Armen unter den Schultern und hob ihn hoch. Er stützte sich stöhnend auf das verletzte Bein und richtete sich auf.
Francescos Lippen verzogen sich zu einem Furcht erregenden Lächeln. Seine Augen waren weit geöffnet, die Nasenflügel gebläht. Er atmete tief, als wäre er erregt von der Vorstellung …
Diesen furchtbaren Gedanken konnte ich nicht zu Ende denken!
Francesco hob seinen Degen und stieß zu.
Die Klinge drang durch Gian Andrea Bravos Brust ein, zerbrach zwei Rippen, zerriss die Lunge und das Herz, drang immer tiefer, bis sie hinter seinem Rücken den Körper verließ und mich an der Hüfte verletzte. Bravo röchelte und sackte in meinen Armen leblos zusammen. Er war sofort tot.
Ich fiel auf die Knie, hielt
Weitere Kostenlose Bücher