Der Fürst der Maler
Condotta entsprechend die Kirche verteidigen. König Louis hat für September ein Konzil nach Pisa einberufen, um Onkel Giuliano als Pontifex Maximus abzusetzen. Die Einberufungsbullen sind bereits an den Türen der Kathedralen angeschlagen worden. Der Papst hat eine schriftliche Vorladung der abtrünnigen Kardinäle erhalten, sich für seine Handlungen vor einem Gericht zu verantworten. Kardinal Ippolito d’Este hat diese Bulle unterschrieben. König Louis hat ihm dabei die Feder geführt, und Kaiser Maximilian sieht lächelnd dabei zu. Vielleicht fällt ja ein Krümelchen Italien für ihn dabei ab, wenn er nur geduldig wartet. Für den Krieg hat er kein Geld, weil Jakob Fugger ihm keinen Kredit gibt. Ich werde also mit meinem Heer nach Pisa marschieren, und diesem gefährlichen Unsinn ein Ende machen.«
»Wie lauten die Anklagen des Konzils?«, fragte ich.
»Die Anklagen sind: Erstens – Unrechtmäßige Wahl zum Papst. Zweitens – Bestechung der Kardinäle während des Konklaves …«
»Das Geld, um Kardinal della Rovere auf den Thron Petri zu heben, kam aus der französischen Staatskasse«, warf ich ein. »Das ist lächerlich …«
»Drittens – Unwürdiges Verhalten. Die abgefallenen Kardinäle zweifeln die Würde seines priesterlichen Lebens an. König Louis will einen Prozess wegen unsittlichen Verhaltens gegen den Papst führen. Stell dir das vor, Raffaello! Der Papst vor einem weltlichen Gericht, um sich für die Verletzung des Zölibats zu verantworten! König Louis hat doch tatsächlich drei ehemalige Geliebte meines Onkels ausfindig gemacht. Das ist ungeheuerlich! Das ist nicht einmal Rodrigo Borgia passiert. Es interessiert in Italien seit hundert Jahren niemanden mehr, wie viele Geliebte oder Kinder ein Papst hat.
Es wird ein Schisma geben! Die Kirche wird in zwei Teile zerfallen, wie damals, im Jahr 1054, als sich die griechische und die lateinische Kirche trennten, oder vor hundert Jahren, als wir drei Päpste gleichzeitig hatten. So etwas darf sich nicht wiederholen! Ich habe geschworen, die Kirche mit meinem Leben zu verteidigen, Raffaello. Ich werde meine Aufgabe erfüllen, bis zum letzten Atemzug. Aber du musst mir dabei helfen, denn alleine kann ich es nicht.«
Ich weiß nicht mehr, für wen ich es tat. Für Francesco? Für Eleonora? Für mich selbst, um mein Gewissen zu beruhigen? Oder für Julius und den Fortbestand der einen, ungeteilten Kirche Gottes. Am nächsten Morgen bat ich bei Monsignor de Grassis um eine Audienz beim Papst. Ich wurde sofort vorgelassen.
Julius empfing mich im Audienzsaal. Er saß so aufrecht auf seinem Thron, als trüge er unter der weiten Soutane noch immer seine Rüstung. Er sah müde aus, lebensmüde. Er war sehr blass und ein wenig zittrig, als er mir die Hand zum Kuss reichte. Francescos Tat hatte ihn tief erschüttert. Er hatte mit Kardinal Alidosis Ermordung nicht nur den Verlust eines Freundes, eines Vertrauten und möglichen Nachfolgers zu beklagen, sondern mit Francescos Verdammung auch einen Neffen verloren, einen Gefolgsmann und fähigen Feldherrn. Das Schicksal der Kirche lag in seinen Händen. Und diese Hände zitterten, zum ersten Mal in seinem Leben. Er wollte sich so gerne anlehnen, für einen Augenblick nur, bis das Zittern und die Angst vorüber waren – aber bei wem? Wem konnte er noch vertrauen?
»Du willst sicher mit mir über den Auftrag für die zweite Stanza sprechen, nicht wahr, Raffaello? Ich kann dir keine Hoffnung machen, mein Sohn. Verhandle darüber mit meinem Nachfolger!«
»Heiliger Vater, ich bin nicht wegen der Fresken hier«, sagte ich.
»Nein? Weshalb dann?«
»Ich war gestern Abend bei Francesco. In seinem Kerker in der Engelsburg.«
Wenn Julius über meine Eigenmächtigkeit zornig war, dann zeigte er es nicht. »Schickt er dich zu mir?«
»Nein, Heiliger Vater. Ich bin hier, weil ich mich so entschieden habe.«
Ein Funken eines Lächelns huschte über sein hageres Gesicht und blieb in seinem dichten weißen Bart hängen. »Entschuldige, ich vergaß, dass du immer tust, was du für richtig hältst«, sagte er bissig. »Aber ich muss tun, was ich tun muss.«
»Gehört die Opferung des Neffen zu den Pflichten des Onkels? So wie es Abrahams Pflicht war, Isaak zu opfern? Wem soll Francesco geopfert werden? Wen soll sein Blut besänftigen? König Louis? Kaiser Maximilian? Gott? Oder den Stolz der della Rovere?«
Julius brauste auf wie ein Wirbelsturm, der alles mit sich riss. »Willst du mir schon wieder Nachhilfe
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