Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Steine auf dem Spielfeld. Wie kommt es, dass du trotz aller Differenzen zwischen den della Rovere und den Medici mit Julius so gut auskommst?«
    Giovanni lachte, als hätte ich einen Scherz gemacht. »Tue ich das?«
    »Er hat dich zu seinem Stellvertreter ernannt. Und ich habe noch nie gehört, dass er dich angebrüllt oder geschlagen hätte. Du kannst ihm Dinge sagen, für die er die anderen Kardinäle eigenhändig verprügelt hätte.«
    »Ich vergaß. Das ist Überlebensregel Nummer Sieben: Stehe dem Papst nicht im Weg, wenn du ihn ohnehin nicht aufhalten kannst. Sieh ihm in die Augen – immer! Sogar, wenn du ihn anlügst. Führe ihm die Hand, wenn die Hand nicht weiß, was sie tun soll. Oder was sie unterschreiben soll.
    Die Medici brauchen die della Rovere. Ich brauche Julius, um nach Florenz zurückzukehren, um das Vermögen meiner Familie zurückzugewinnen, um den Palazzo in der Via Larga zu beziehen, um wie mein Vater in Florenz zu herrschen und diesen Trottel Soderini zu verjagen. Und um Papst zu werden.
    Und die della Rovere brauchen die Medici. Als Vizekanzler, der für den Papst die unangenehmen Pflichten übernimmt – wie zum Beispiel die Aburteilung eines ungehorsamen Neffen, der zu gerne mit seinem Dolch spielt. Oder die Auseinandersetzungen im Konsistorium, wenn die Kardinäle das Kirchenrecht mit Füßen treten. Oder diplomatische Seiltänze auf dem Netz zwischen Venedig und Rom, zwischen Frankreich, Spanien und Neapel.
    Julius braucht mich. Er würde dieses Spiel nicht spielen können ohne mich. Er würde es nicht überleben, weil er keine Freunde hat, nachdem sein Neffe seinen einzigen Vertrauten ermordet hat. Julius braucht mich wie der Verdurstende das Wasser. Deshalb schließt er mich in sein Nachtgebet ein. Denn wenn er mich nicht hätte, würde er eines Morgens mit einem Dolch zwischen den Rippen aufwachen.«
    »Was passiert, wenn du Francesco wegen des Mordes an Kardinal Alidosi zum Tode verurteilst?«, fragte ich.
    »Das Herzogtum Urbino ist Teil des Patrimonium Petri. Es wird von Papst Julius annektiert, und ein neuer Herzog und Bannerträger der Kirche wird eingesetzt.«
    »Wer wird das sein?«, fragte ich, während ich auf seinen Spielzug wartete.
    Giovanni lächelte das Lächeln einer Sphinx, stellte die Figur des Königs auf das Rosenholzbrett zurück und zog entgegen jeder Regel quer über das Spielfeld. »Ein Medici.«

    Am nächsten Morgen legte Francesco dem Gericht Beweise für Kardinal Alidosis Verrat vor: einen geheimen Vertrag zwischen dem Vertrauten des Papstes und dem König von Frankreich. König Louis XII . hatte zugesagt, Kardinal Francesco Alidosi zum Pontifex Maximus zu machen, sobald Papst Julius durch das Konzil von Pisa abgesetzt und exkommuniziert und sein Name aus der Papstliste gestrichen worden war. Und sobald die französische Fahne über Neapel wehte …
    Julius, der nicht selbst am Prozess teilnahm, sondern sich jeden Abend von Giovanni über den Verlauf der Verhandlungen berichten ließ, soll geweint haben, als ihm der Geheimvertrag vorgelegt wurde. Kardinal Alidosi war ein Verräter gewesen! Francesco hatte einen Judas hingerichtet, um die Kirche vor einem Verrat zu bewahren.
    Doch Julius war zu verbittert über die Eigenmächtigkeit und den Ungehorsam seines Neffen, um ihn zu begnadigen.
    Am folgenden Tag sollte der Prozess fortgesetzt werden …
    Rom glich einem Heerlager. Alle Männer, denen ich in den Straßen begegnete, waren bewaffnet. Die Adeligen mit Schwert und Armbrust, die Handwerker und Bauern mit Hammer und Schlageisen, mit Messern, Ahlen, Sensen und Mistgabeln. Auch ich trug einen Dolch und meinen Degen unter der schwarzen Soutane eines Monsignore, als ich meinen Palazzo verließ.
    Kanonen rumpelten über das Kopfsteinpflaster der Straßen und machten einen Lärm, als würden die Salven bereits gezündet. Die Wehrtürme der Palazzi waren bemannt, zum ersten Mal seit Jahren. Meine Leibwache bildete einen so engen Kordon um mich, dass wir im Gewühl der Via Giulia kaum vorankamen. Ich gab meinen Schweizer Gardisten ein Zeichen, mir zu folgen, hieb meinem Pferd die Absätze in den Bauch und galoppierte durch die Straße. Die Menschen wichen mir aus und ließen mich durch. Die Schweizer folgten mir. Ich galoppierte die Via Giulia hinunter, vorbei an Ochsenkarren mit Fleisch, Pökelfisch, Obst, Gemüse und Mehlsäcken, die eilig in die Kellergewölbe der Palazzi getragen wurden. Jedermann schien sich auf eine längere Belagerung Roms durch die

Weitere Kostenlose Bücher