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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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eines Kardinals der Kirche – dem Familienunternehmen der Borgia – überschrieb. Eine weitere Prise, und das Opfer war aus dem Leid der Armut und seiner Schmerzen erlöst.«
    »Du meinst, dass Francesco seinen eigenen Onkel vergiftet, um seine Begnadigung zu erzwingen?«, fragte ich zweifelnd.
    »Als Julius sich in seinem Bett wieder beruhigt hatte und die Ärzte das Schlafzimmer verlassen hatten, diktierte er mir gestern Abend eine Begnadigung für den Herzog von Urbino.«
    »Und?«
    »Heute Früh war mein Schreibtisch aufgebrochen, und das päpstliche Breve war verschwunden. Julius liegt bewusstlos im Bett und kann keinen Gnadenerlass mehr unterschreiben. Die Begnadigung ist damit hinfällig.«
    Wenn es wirklich Francescos Ziel war, durch einen Giftanschlag auf seinen Onkel die Freilassung und Wiedereinsetzung in seine Ämter zu erreichen, wer hatte dann das päpstliche Breve aus Paris de Grassis’ Schreibtisch gestohlen? Und wer – bei allen Göttern des Vatikans – hatte Julius eine weitere Prise Gift verabreicht?
    »Wer ist der andere Verdächtige, von dem du sprachst?«, fragte ich Paris.
    »Kardinal Giovanni de’ Medici … er will Papst werden. Er hat viele Kardinäle mit dem Vermögen seines Vaters Lorenzo il Magnifico gekauft, sogar die abtrünnigen Kardinäle in Pisa. Wenn Julius heute Nacht stirbt, ist er der nächste Papst und sein Bruder Giuliano de’ Medici Bannerträger der Kirche. Seine Schwester Contessina ist mit Piero Ridolfi verheiratet, seine andere Schwester Lucrezia mit Jacopo Salviati, einem der energischsten Gegner von Piero Soderini und Niccolò Machiavelli in Florenz. Du kannst darauf wetten, dass der nächste Gonfaloniere von Florenz entweder Ridolfi oder Salviati heißt. Giovannis Cousin Giulio wird als Kardinal nach Florenz gehen, um den neuen Gonfaloniere ›beratend zu unterstützen‹. So nennt man das, wenn die Kirche an den Fäden zieht, die die Marionetten bewegen …«
    »O mein Gott!«, rief ich aus.
    »Ja, Raphaël, bete zu Gott. Vielleicht hat Er ein Einsehen und wacht über die Wenigen, die Seine Gebote nicht mit Füßen treten. Seine Gnade haben wir in den nächsten Tagen bitter nötig, wenn wir überleben wollen. Denn wenn Papst Giuliano della Rovere stirbt, wird König Louis Rom erobern. Das kann nicht einmal Papst Giovanni de’ Medici verhindern.«
    Ich sah Julius an, der auf dem Bett lag. Er trug noch immer die blaue Brokatrobe, in der er mit Agostino gestern zu Abend gegessen hatte. Julius war bleich wie der Tod, er atmete so leise, dass ich ihn kaum hörte. Il Terribile, der Mann, der im Leben so viel Platz einnahm, dass alle vor ihm zurückwichen und verstummten, wenn er den Raum betrat, der unberechenbare Vulkan, der immer kurz vor dem Ausbruch stand, lag nun still auf seinem Bett – und war nichts weiter als ein alter, zittriger Mann, dem Tod näher als dem Leben.
    Was würde mit der Kirche, mit Rom, mit mir selbst geschehen, wenn er in dieser Nacht starb und die Franzosen in Rom einmarschierten? Ich versuchte, darüber nicht weiter nachzudenken, und wandte mich wieder an Paris de Grassis. »Weshalb hast du mich rufen lassen, Paris?«
    »Du bist der Einzige, der Julius’ Leben retten kann, Raphaël.«
    »Ich bin kein Medicus …«
    »Julius braucht keinen Medicus. Er braucht einen Freund. Er hat dir immer vertraut. Und du bist ein Freund von Francesco della Rovere und Giovanni de’ Medici. Finde heraus, wer ihn umzubringen versucht! Und – im Namen Gottes – verhindere es!«

    »Ich?«, fragte Francesco fassungslos, als ob er sich verhört hätte. »Du beschuldigst mich, meinen Onkel, meinen Papst, dem ich unbedingten Gehorsam geschworen habe, ermorden zu wollen?«
    Francesco kam ein paar Schritte auf mich zu und ließ mich nicht aus den Augen. Dann zuckte seine Hand nach vorne, und ich dachte im ersten Augenblick, er wollte mir seinen Dolch in die Brust jagen. Mit eiserner Faust umfasste er meine empfindlichsten Teile und drückte zu.
    Ich stöhnte vor Schmerz.
    »Du bist verliebt in meine Cousine Felice! Sie hat dir den Kopf verdreht und wahrscheinlich noch ein paar empfindlichere Körperteile. Aber benutze zum Denken gefälligst dein Gehirn, nicht deinen Schwanz!« Er ließ mich los und stieß mich zurück.
    Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts und ließ mich auf einen Sessel sinken.
    Francesco lief unruhig in seinem Studiolo im Palazzo della Rovere auf und ab. »Gian Giordano Orsini steckt hinter diesem Attentat auf den Papst. Er war ein

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