Der Fürst der Maler
Franzosen einzustellen.
Auch Gianni war nach Paris de Grassis’ Nachricht vom Anfall des Papstes mit meinen Dienern zum Markt geeilt, um alle verfügbaren Lebensmittel einzukaufen und in den Kellergewölben meines Palazzo einzulagern. Bastiano war mit seinem kürzlich aus Florenz eingetroffenen Bruder Nino bei seinem Onkel Giuliano da Sangallo, der als Militärarchitekt Erfahrungen im Festungsbau hatte und sich irgendwo auf der Aurelianischen Stadtmauer aufhielt, um Wehrtürme, Stadttore und Kanonen zu inspizieren. Giuliano hatte auch die Kellergewölbe meines Palazzo untersucht und für ›belagerungstauglich‹ erklärt. Er würde, wenn die Franzosen vor den Toren Roms erschienen, mit seinen Neffen Bastiano und Nino bei mir Zuflucht suchen.
Gio’, Giulio, Raffaellino, Perino und Polidoro waren am Morgen im Palazzo Santi geblieben, denn der Zutritt zum Vatikan war für jeden, der keine Soutane trug, verboten. Selbst die päpstlichen Schreiber und Angestellten, die kein priesterliches Amt in den vatikanischen Palästen innehatten, waren nach Hause geschickt worden. Die Kirche war wie ein großes Segelschiff im Sturm auf Grund gelaufen. Nichts bewegte sich mehr. Nicht, solange der Kapitän noch an Bord war …
Ich überquerte den Ponte Elio vor der Engelsburg und wandte mich nach links in die Via Alessandrina, die zur Piazza San Pietro führte. Donato Bramante, der Militärarchitekt des Papstes, hatte die Piazza mit fünf Kanonen gesichert, die jedem Eindringling den Zutritt zur Baustelle erschweren würden. Ich fragte mich allerdings, wer die ›Festung San Pietro‹ vor der Zerstörung bewahren sollte, da sich fast alle der zweitausendfünfhundert Arbeiter auf der Aurelianischen Mauer befanden, um Rom zu verteidigen.
Vor dem Tor des Geheimgartens sprang ich aus dem Sattel, reichte die Zügel meines Pferdes einem der Wächter und gab ein Zeichen, das Tor zu öffnen.
Der Wächter zögerte. »Ich habe Befehl, niemanden einzulassen.«
»Ich bin nicht ›niemand‹. Ich bin Monsignor Raffaello Santi, und Monsignor Paris de Grassis, der Zeremonienmeister Seiner Heiligkeit, hat mich gebeten, hierher zu kommen. Also öffne gefälligst das Tor!«
In diesem Augenblick wurde das schwere Portal aufgeschoben – von innen. Zwei Schreiber mit silbernen Kerzenständern unter dem Arm und einer Ledertasche auf dem Rücken, in der sich deutlich die Umrisse einer mit Edelsteinen bestickten Mitra abzeichneten, rannten durch das Tor auf die Piazza San Pietro.
»O mein Gott!«, rief ich. »Die Plünderung hat schon begonnen.« Ich stieß den Wächter, der den Befehl hatte, mir den Eintritt zu verwehren, zur Seite und rannte durch das Tor in den Geheimgarten. Meine Leibwache blieb dicht hinter mir.
Zwischen den niedrigen Hecken des Gartens unterhalb der neuen Loggien kamen mir weitere Scriptores entgegen. Jeder von ihnen trug geraubte Schätze aus dem Papstpalast bei sich. Sie stürmten an mir vorbei, als sei der Teufel – oder schlimmer: der rachedurstige Geist des Terribile – hinter ihnen her!
Ich stürmte die Treppe hinauf in den Palast, rannte die Loggien entlang. Paris de Grassis’ Arbeitszimmer war leer: geplündert. Meine Leibwächter erhielten Anweisung, die Fresken in den Stanzen zu bewachen und niemanden in die Räume zu lassen. Ich musste verhindern, dass die Arbeit von drei Jahren während der Plünderung des Vatikans zerstört wurde.
Dann eilte ich weiter zum Schlafzimmer des Papstes.
Ich war schon einmal hier gewesen, vor drei Jahren. Damals hatte ich Julius gebeten, Herzog Francesco zum Gonfaloniere zu ernennen. Ich hatte ihm versichert, dass sein Neffe ihm treu dienen würde. War es ein Fehler gewesen? Hatte ich durch mein stürmisches Vorgehen bei der Ernennung Francescos das Unglück nicht letztlich heraufbeschworen? Dieser Gedanke war mir unerträglich. Aber noch schlimmer war: Ich war aus demselben Grund wieder hier.
Paris de Grassis saß am Bett des Papstes. Er hielt seine Hand, die schmal und zerbrechlich war wie ein kleiner, hilfloser Vogel. Julius sah aus, als ob er schlief.
»Der Palast wird geplündert«, flüsterte ich außer Atem. »Und in Rom droht ein Aufstand der Colonna und Orsini. Gian Giordano Orsini ist heute Früh in die Stadt gekommen.«
»Ich weiß«, sagte Paris de Grassis mit stoischem Gleichmut.
Es war nicht das erste Mal, dass er die Plünderung des vatikanischen Palastes erlebte. Papst Alexander war noch nicht tot, da wurde im Nachbarraum der Tesoro aufgebrochen, um die mit
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