Der Fürst der Maler
geboren wurde …
Wie verzweifelt ich war!
Ich kehrte in den Vatikan zurück, um den sterbenden Papst zu besuchen, der durch meine Affäre mit Felice und unseren gemeinsamen Sohn Girolamo so etwas wie mein … mein Schwiegervater war. Ich saß an seinem Bett und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Was sollte ich tun? Was konnte ich tun?
Wem galt meine Loyalität? Den della Rovere, die mich von Kindheit an als Mitglied der Familie betrachtet hatten? Dem Papst – meinem … Schwiegervater? Francesco – meinem Freund? Ich hatte beiden schon einmal das Leben gerettet, als ich sie vor Gian Giordano Orsini warnte. Den Medici? Meinen Freunden Giovanni und Giuliano und deren Cousin Giulio de’ Medici? Oder Felice und meinem Sohn Girolamo, der den Namen Orsini trug. Was würde mit ihnen geschehen, wenn ich Gian Giordano Orsini auf seinem Weg zur Macht aufhielt? Ich hatte Angst um sie, furchtbare Angst, und war froh, dass sich beide nicht in Rom aufhielten.
Papst Julius war noch nicht tot. Noch nicht. Er hing an seinem Leben, als wäre er noch nicht fertig geworden mit dem, was er sich vorgenommen hatte. Er kämpfte. Papst Julius war noch nicht tot. Noch nicht … noch nicht.
Hatte der Mörder sich in der Dosis geirrt? Oder war es Absicht, Julius so lange am Leben zu lassen, so lange leiden zu lassen, bis … ja, bis was geschah? Worauf wartete der Mörder?
Auf einen Freispruch durch das Tribunal, einen päpstlichen Gnadenakt? Auf die Ankunft der eigenen Truppen, um die Macht in Rom zu übernehmen und die Franzosen zurückzudrängen? Oder auf die Ankunft der Kardinäle in Rom, die für das Konklave zusammenkamen, dessen Ergebnis schon im Voraus feststand?
Ganz in Gedanken schenkte ich mir aus der Karaffe neben dem Bett des Papstes ein Glas Wasser ein.
Die letzte Dosis des Gifts fehlte noch! Die letzte Dosis, die ihn umbringen sollte. Aber wie sollte sie Julius verabreicht werden?
Mit dem Glas Wasser in der Hand überlegte ich, ob der Medicus bestochen war. Aber Julius wurde vergiftet und nicht durch zu häufigen Aderlass ermordet.
Ich setzte das Glas an die Lippen.
Julius war bewusstlos und konnte keine Nahrung zu sich nehmen. Das Einzige, was er bekam, war hin und wieder ein Schluck Wasser …
Beinahe hätte ich das Glas fallen lassen.
Das Wasser war vergiftet! Das war die Lösung! Je mehr dem Papst davon eingeflößt wurde, desto eher würde er vor seinem Schöpfer stehen.
Hastig stellte ich das Glas zurück auf den Tisch.
Wer wusste von dem vergifteten Wasser? Wer hatte Zutritt zum Schlafzimmer des Papstes und konnte die Karaffe dorthin gestellt haben?
Giovanni? Ja, er war mehrmals hier gewesen.
Orsini? Ja, auch er hatte den sterbenden Papst besucht, als er nach Rom gekommen war.
Francesco? Nein, denn er stand nach wie vor unter Hausarrest im Palazzo della Rovere – aber er hatte Freunde, viele Freunde …
Doch wie sollte ich diese ungeheuerliche Tat beweisen? Erneut nahm ich das gefüllte Wasserglas in die Hand. Dann hatte ich eine Idee.
Ich öffnete die Schlafzimmertür und rief den Kammerdiener des Papstes: »Monsignor Paris de Grassis soll kommen. Sofort!«
»Das wirkt nicht. Niemals!«, sagte Paris eine halbe Stunde später, als ich ihm meinen Plan erläutert hatte.
»Natürlich wirkt es. Das siehst du doch.« Ich deutete auf die Feldmaus, die ein paar verunsicherte Scriptores auf Befehl des päpstlichen Zeremonienmeisters im Garten des Belvedere gefangen hatten.
Paris hatte gesagt, dass sie ihn wie einen Verrückten angesehen hatten, als er ihnen diesen unsinnigen Befehl gab. Ich hatte vom Fenster des päpstlichen Schlafzimmers aus zugesehen, wie sich vier Soutanenträger fluchend im Gras wälzten, um eine kleine Feldmaus zu fangen.
Zuckend verendete die Maus, die nicht ganz freiwillig von dem vergifteten Wasser getrunken hatte. »Das Wasser war vergiftet. Quod erat demonstrandum «, räsonierte ich.
»Ich meine nicht das Gift, Raphaël. Sondern deinen Plan«, sagte Paris, der die tote Maus angeekelt betrachtete. Wie wäre Paris’ Gesichtsausdruck wohl gewesen, wenn er wie ich in Florenz Leichen seziert oder auf einer Wiese am Metauro einen ermordeten Freund im Arm gehalten hätte?
»Er wird funktionieren, verlass dich drauf! Er wird kommen. Er muss kommen, um sich zu überzeugen, dass er Erfolg hatte. Du wirst jetzt das Konsistorium der Kardinäle und die Familien della Rovere und Orsini darüber informieren, dass sich Julius’ Zustand verschlechtert hat und er diese Nacht
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