Der Fürst der Maler
der Villa Chigi.« Eleonora lächelte. »Taddeo ist vor einer Stunde zum ersten Mal aufgestanden, obwohl seine Knie gezittert haben. Er fürchtet die Invasion der Franzosen und hat ein Dutzend Boten nach Florenz, Urbino und Venedig gejagt. Felice und Fioretta liegen im Bett und weinen sich die Augen aus.«
»Und Kardinal de’ Medici?« Dio mio, ich hatte noch vor wenigen Stunden Giovanni des Mordes am Papst verdächtigt! »Wie geht es ihm?«
»Er ist noch bei Francesco …«
Ich glaubte, mich verhört zu haben. »Was?«
»Giovanni de’ Medici tauchte heute Morgen im Palazzo della Rovere auf, als Francesco sich noch mit einer seiner Geliebten zwischen den Laken vergnügte. Er ließ Francesco aus dem Bett werfen und spricht seit zwei Stunden mit ihm.«
»Worüber?«, fragte ich.
»Ich habe nicht an der Tür gelauscht …«, verteidigte sich Eleonora und spielte die Gekränkte.
»Schade!«, sagte ich.
»… aber ich habe zufällig gehört, wie Kardinal de’ Medici Francesco mit ›Euer Exzellenz‹ anredete und nicht mit ›Signor della Rovere‹«, fügte sie verschmitzt lächelnd an.
Ich lehnte mich in die Kissen zurück und atmete tief ein, um die aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen.
Giovanni hatte sich offensichtlich entschieden, Francesco wieder als Herzog von Urbino zu ernennen. Dann würde er ihn auch wieder zum Gonfaloniere der Kirche machen, damit Francesco Urbino und Rom gegen die Franzosen verteidigen konnte.
»Dann wird alles gut«, seufzte ich erleichtert: Die Fortsetzung des Prozesses würde wahrscheinlich in Abwesenheit des Beschuldigten stattfinden.
»Nichts wird gut, Raffaello! Denn alles bleibt, wie es ist. Francesco ist Herzog, Gonfaloniere, allmächtig und allwissend. Und er ist ein Mörder! Ich ertrage ihn nicht mehr. Ich werde nicht mit ihm nach Urbino zurückkehren.« Sie sah mich zu allem entschlossen an. »Ich werde es ihm sagen, sobald er seinen Triumph bis zur Neige ausgekostet hat.«
»Er wird dich nicht gehen lassen!«, warnte ich sie. »Er wird dich eher umbringen, als auf dich zu verzichten.«
»Ich kann und ich will seine Eskapaden nicht länger ertragen, Raffaello«, sagte sie bestimmt.
»Was willst du tun?«
»Ich werde ein paar Tage in Rom bleiben, bis er nach Urbino zurückgekehrt ist. Dann werde ich überlegen, was ich tue.«
»Im Palazzo della Rovere kannst du nicht bleiben«, warnte ich sie.
Eleonora lächelte mich an wie die noch ungemalte Sixtinische Madonna, um die Julius mich gebeten hatte und deren Skizzen ich fertig gestellt hatte. Dieses verführerische Lächeln! »Ich hatte gehofft, du würdest mir ein Bett im Palazzo Santi anbieten, Raffaello«, sagte sie. »Deines zum Beispiel.«
Kapitel 15
Der Triumph des Eros
Z ornig wie ein ausbrechender Vulkan, dessen heiße, vernichtende Lava in alle Richtungen herausschießt, war ich vom Vatikan zurückgekehrt, als einer der Diener mir zuflüsterte, die Contessa Felice Orsini erwarte mich in der Bibliothek. Ich reichte ihm meinen Degen und die Seidenhandschuhe und überlegte, was Felice von mir wollte. Ich stand in der Empfangshalle meines Palazzo und atmete tief durch, um mich zu beruhigen.
Julius war vor zwei Tagen erwacht und hatte sich mittlerweile von dem Attentat so weit erholt, dass er das Bett verlassen konnte. Trotz seiner achtundsechzig Jahre hatte er eine eiserne Gesundheit. Und einen eisernen Willen: Er hatte Francesco begnadigt. Der Papst war noch zu geschwächt, selbst in den Sattel zu steigen, um die französische Invasion aufzuhalten, und so hatte er gestern Abend im Konsistorium der Kardinäle seinen Neffen vom Mord an Kardinal Alidosi freigesprochen und sich über das Tribunal hinweggesetzt, das sein Stellvertreter, Kardinal de’ Medici, leitete. Julius hatte Kardinal Alidosi als Verräter und Francescos Dolchstoß als Heldentat zur Rettung der Kirche bezeichnet.
Giovanni hatte getobt, und das Laudate Dominum, das er bei Julius’ Erwachen ausgerufen hatte, wäre ihm beinahe im Hals stecken geblieben. Er hatte Julius als ›geistesgestörten Imperator‹ bezeichnet, und die Kirche als ›Imperium Roverum‹ und ›Erbmonarchie der della Rovere‹ – er hatte sich bis zu unserem Abendessen gestern Abend in seinem Palazzo noch nicht wieder beruhigt.
Francesco war wieder Herzog von Urbino und Gonfaloniere der Kirche! Das Anathema gegen ihn war aufgehoben. Julius selbst hatte ihn wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen und ihn ›seinen lieben Neffen‹ genannt. Francescos
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