Der Fürst der Maler
leuchtete dem Attentäter ins Gesicht.
Es war nicht Giovanni!
Vor uns stand Gian Giordano Orsini in dem purpurfarbenen Mantel, den er bereits in Florenz bei unserem ersten Zusammentreffen getragen hatte.
»Conte Orsini! Lasst den Dolch fallen!«, befahl Paris de Grassis.
Orsini starrte mich an wie einen Geist, der seinem eigenen Grab entstiegen war. Das ließ mich für Felices Zustand nichts Gutes erahnen, wenn Orsini glaubte, dass wir uns am Nachmittag alle mit dem Wasser vergiftet hatten.
Doch Orsini erholte sich schnell von seiner Überraschung. Er sagte kein Wort. Er sah ein, dass er sich gegen sieben Bewaffnete nicht wehren konnte, und ließ den Dolch, mit dem er in der Dunkelheit auf mich losgehen wollte, fallen.
Und die Glaskaraffe mit dem Gift.
Ich versuchte, sie aufzufangen, bevor sie auf dem Boden des Schlafzimmers in Scherben zerbrach, aber ich war nicht schnell genug. Mit einem Donnerschlag, der mir lauter erschien als der Schuss einer Kanone, zerbarst das Corpus Delicti auf dem Boden in tausend Scherben, die in einer Wasserpfütze schwammen.
»Verdammt!«, fluchte ich. Der Beweis für das Attentat auf den Papst war vernichtet.
Orsini lächelte. Er wusste, dass ihm nichts nachzuweisen war, denn das vergiftete Wasser versickerte in dem dicken orientalischen Teppich des Schlafzimmers. »Und nun?«, fragte er.
»Festnehmen!«, befahl ich zornig, und die Schweizer packten seine Arme, um sie auf den Rücken zu drehen und mit Lederstricken zu fesseln.
Gian Giordano Orsini verzog das Gesicht, und ich wusste nicht, ob vor Schmerz wegen der Rücksichtslosigkeit der Wachen oder ob es ein selbstgefälliges Lächeln war. »Ich werde festgenommen, Monsignor Santi? Weswegen?«
»Wegen des versuchten Mordes an Papst Julius!«
»Ich habe Seiner Heiligkeit eine Karaffe Wasser gebracht.« Er deutete auf die leere Karaffe neben dem Bett des Papstes. »Niemand scheint sich darum zu kümmern, einem Sterbenden ein wenig Wasser zu geben.«
Ich kochte vor Wut über seine Unverfrorenheit und gab den Gardisten den Befehl, den Conte in ein Verlies in der Engelsburg zu bringen.
Er wurde mit Gewalt aus dem Raum gezerrt.
Ich schwankte und musste mich an den Bettpfosten festhalten, um nicht umzukippen wie eine der Marmorsäulen auf dem Forum Romanum. Eine neue Welle des Schmerzes schwappte durch meinen Verstand.
Paris fing mich auf, als ich stürzte.
Als ich wieder erwachte, saß Eleonora an meinem Bett im Palazzo Santi.
Sie strich mir mit einem kühlen, feuchten Tuch das Haar aus der Stirn. »Wie geht es dir?«, fragte sie mich.
»Furchtbar!«, stöhnte ich. »Und dir?«
»Ich habe nur einen kleinen Schluck von dem Wasser getrunken, als ich sah, dass Francesco dir sein Glas gab. Ich ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war.«
»Woher …?«, fragte ich schwach.
Eleonora lachte. »Meine Mutter ist Isabella d’Este, die Prima Donna Italiens. Sie mischt nicht nur ihre kosmetischen Tinkturen selbst, sondern experimentiert auch hin und wieder mit anderen, gefährlicheren Rezepten. Ich kenne alle Gifte dieser Welt! Mein Vater ist Francesco Gonzaga, ein Genie, wenn es darum geht, dieses Gift auch praktisch einzusetzen.
Ich sah Francescos Zögern, das Glas zu leeren. Und ich sah, wie es dich beunruhigte, dass er nicht trank. Ich roch an dem Glas und stellte einen feinen Duft fest, der mir nicht unbekannt war. Es ist eines der alchemistischen Pulver meiner Mutter, das sie scherzhaft ›Die Rache der Marchesa‹ nennt. Sie benutzt es hin und wieder, wenn sie übermütige Cortegiani zur Raison bringen will. Ich nehme an, du hast das Rezept von Leonardo da Vinci, der es bei seinem Aufenthalt in Mantua von meiner Mutter erhielt.«
Ich nickte. »Aber dein Glas war leer, als du es auf den Tisch gestellt hast.«
Sie hob den Arm und zeigte mir ein Taschentuch aus weißem Damast in den tiefen Falten ihres Ärmels. »Das ist ein Kleid nach Mantuaner Mode, Raffaello!«, lächelte sie. »Ich habe das Wasser in den weiten Ärmel geschüttet, während ich so tat, als ob ich trank. Es hat niemand darauf geachtet, was ich tat. Ihr habt euch alle gegenseitig belauert.«
»Wie geht es den anderen?«, fragte ich.
»Agostino Chigi liegt in seiner Villa zu Bett und lässt sich von der Kurtisane Imperia pflegen. Er ist so schwach, dass er nicht aufstehen kann. Ein Schwarm aufgescheuchter Künstler umschwirrt ihn wie die Falter das Licht: Sodoma, Peruzzi und Luciani. Sie fürchten um sein Leben – und um ihre großzügigen Aufträge in
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