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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Schwächeanfall, der ihn nochmals für einen Tag ins Bett zwang – mit Madonna Lucrezia de Cupis, die nach dem gemeinsamen Aufstehen zufrieden lächelte, flüsterte mir Paris de Grassis mit Verschwörermiene zu –, erholte sich Julius schnell von dem Giftattentat.
    Er genas von seinem Sterben wie ein Kranker, der nach einer schweren Erkrankung gesünder ist als vorher. Wie ein junger, ehrgeiziger Monsignore rannte er durch die Gänge und Loggien des Vatikans und wirbelte eine Menge Staub auf. Und die Staubwolken über dem Vatikan trieb der Sturm nach Norden: nach Pisa. Julius war entschlossen, den Krieg auf beiden Schlachtfeldern zu gewinnen: dem militärischen und dem theologischen. Am Tag der Eröffnung des schismatischen Konzils traf in Pisa der Bote mit dem Interdikt ein. Der ketzerischen Stadt Pisa wurde verboten, Gottesdienste abzuhalten. Die Kirchen wurden geschlossen, die Glocken schwiegen. Als Piero Soderini gegen das Interdikt für Pisa protestierte, mussten er und sein Staatssekretär Niccolò Machiavelli selbst einen Legaten des Papstes empfangen. Mit einem Interdikt gegen Florenz!
    Und auch Kardinal Giovanni de’ Medici triumphierte, weil Papst Julius dem Gonfaloniere Piero Soderini, einem erbitterten Gegner der Medici, den Krieg erklärt hatte. Giovanni schürte dieses Feuer im Konsistorium mit derselben Entschlossenheit wie Cato, als er den römischen Senat zur Vernichtung Karthagos aufforderte. Giovanni spielte mit Catos klassischen Worten: » ›Ceterum censeo …‹ – Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das heillose Florenz eines Medicus bedarf.« Er meinte: einen Medici. Und Giuliano de’ Medicis und Bernardo Dovizi da Bibbienas Anwesenheit in Rom ließ keinen Zweifel offen, welchen Medici er meinte.
    Während der Friedensverhandlungen zwischen König Louis von Frankreich, König Ferdinand von Spanien, Kaiser Maximilian und Papst Julius hatte Giovanni den Triumph der Medici mit mediceischer Gründlichkeit und dem politischen Weitblick seines berühmten Vaters Il Magnifico vorbereitet. Er überzeugte die Fürsten, dass vor allem das politische Chaos in Florenz einem Frieden in Italien – und damit in Europa – im Weg stand.
    Julius versuchte, die Spanier gegen Frankreich zu gewinnen, um die Franzosen aus dem Land zu treiben. Das war ein gewagter Spielzug zwischen den Feldern Neapel und Mailand auf dem Spielbrett Italien. Giovanni spielte mit allen Spielsteinen: Er versuchte, die Spanier nicht nur gegen die Franzosen, sondern für die Medici und gegen Florenz zu gewinnen. Und das alles, ohne Frankreich, das seit den Tagen der Herrschaft von Il Magnifico ein Verbündeter der Medici gewesen war, zu verärgern und ohne dem Dogen von Venedig schlaflose Nächte zu bescheren. Mir schien, dass Giovanni sogar die Spielfigur Julius während der Verhandlungen ein paar Mal zwischen den Fronten hin und her schob. Das Ergebnis dieses gigantischen Machtspiels war eine neue Heilige Liga, die einen spanischen Condottiere, Ramón de Cardona, den Vizekönig von Neapel, beauftragte, nach Florenz zu marschieren.
    Ich erhielt einen Brief von Niccolò Machiavelli, der die Ereignisse aus Florentiner Perspektive schilderte. Er war von einer diplomatischen Reise an den Hof König Louis’ zurückgekehrt, wo er die französischen Kardinäle zu überreden versuchte, die Pläne für das Konzil von Pisa fallen zu lassen. Nach seiner Rückkehr nach Florenz stand er wegen seines Mutes, das Konzil, das Schisma und den unvermeidlichen Krieg verhindern zu wollen, mit dem Rücken an der Wand. Er beschwerte sich bei mir über Piero Soderinis Kurzsichtigkeit, der Pisa gestattet hatte, das Konzil in seinen Mauern stattfinden zu lassen, und bedachte die Signoria mit nicht zitierfähigen Beschimpfungen.
    Niccolò war verzweifelt! In welche Windrichtung auch immer er sich diplomatisch drehte und wendete, für den Papst oder für die schismatischen Kardinäle, gegen Frankreich, gegen Spanien, für Kaiser Maximilian oder für die Heilige Liga: Alles war falsch! Denn alles war gegen Florenz!

    Im September 1511, wenige Tage nach der Eröffnung des Konzils von Pisa, rief Julius mich zu sich und erteilte mir den Auftrag für die Freskierung der zweiten Stanza. Er war bester Laune und legte mir den Arm um die Schultern, nachdem ich seinen Ring geküsst hatte.
    »Für meinen neuen Audienzsaal habe ich mir als Thema das Eingreifen Gottes in die Geschichte ausgesucht«, erklärte er mir, und er sah mich so erwartungsvoll an, als sollte ich

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