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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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ihm sofort die ersten Skizzen und Kompositionsentwürfe aus dem Ärmel zaubern.
    »Das Eingreifen Gottes«, sinnierte ich. »Das ist eine sehr deutliche Botschaft, die Ihr an die Wände Eures Audienzsaales malen lasst, Euer Heiligkeit.«
    »Die Fürsten, Könige und Heerführer, die Monsignori und Kardinäle verstehen nur eine deutliche Sprache. Am besten verstehen sie die Worte ›Interdikt‹ und ›Schwert‹. Sie sind prägnant und so leicht zu merken wie ›Blitz und Donner‹, selbst für einen Intriganten wie Kardinal Ippolito d’Este oder einen Idioten wie König Louis. Die Grammatik kannst du dir ersparen.«
    Ich lächelte über seine pragmatische Einschätzung der unvermeidlichen Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich. »Ich nehme an, Ihr wollt eine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn man sich mit der Kirche Gottes anlegt?«
    »Nein, Raffaello: Ich will vier Antworten. Auf jede Wand eine.«
    Wie drei Jahre zuvor, als ich die Fresken für die Stanza della Segnatura entwarf, vergrub ich mich wochenlang in der Biblioteca Vaticana. Wieder schleppte der päpstliche Bibliothekar Monsignor Inghirami ganze Wagenladungen Bücher an mein Lesepult. Für die Freskierung der Decke durch Baldassare Peruzzi fand ich vier Episoden im Alten Testament: Noahs Pakt mit Gott, Isaaks Opferung durch Abraham, Moses und der brennende Dornbusch und Jakob unter der Himmelsleiter.
    Für die Wandfläche zur Stanza della Segnatura wählte ich die Begegnung Papst Leos des Großen mit dem Hunnenkönig Attila, der im Jahr 452 Italien erobern wollte. Leo der Große hatte den Ansturm der Hunnen gegen Rom mutig aufgehalten. Er war wie Julius den Feinden entgegengezogen und hatte sie zurückgedrängt.
    Amüsiert skizzierte ich in meinem ersten Entwurf Attila mit dem Gesicht des französischen Königs. Von rechts jagen die Reiterscharen des Hunnenkönigs in das Bild. Attila an ihrer Spitze reißt sein scheuendes Pferd zurück und befiehlt seinem Heer Einhalt, als er die Erscheinung von Petrus und Paulus am Himmel und Papst Leo I. mit dem Schlachtruf der römischen Legionen Roma Victor! auf den Lippen erkannte.
    Im Alten Testament, im Zweiten Buch der Makkabäer, fand ich die Geschichte von der Vertreibung Heliodors aus dem Tempel von Jerusalem. Der König hatte Heliodor befohlen, den Tempelschatz von Jerusalem zu rauben. Der Hohepriester des Tempels wehrte sich gegen die Bedrohung und rief Gott zu Hilfe. Gott sandte einen himmlischen Reiter, der Heliodor aus dem Tempel vertreiben sollte.
    Noch während meine linke Hand auf der Bibel ruhte, um an den Zeilen des Textes entlangzugleiten, skizzierte die rechte bereits im Schein der Kerze einen ersten Entwurf. Ich sah die dramatisch-bewegte Szene in leuchtenden Farben vor mir: der betende Hohepriester vor dem Altar, der himmlische Reiter und die beiden von Gott gesandten Engel mit dem zu Boden gestürzten, entsetzten Heliodor. Ich war fasziniert von der Idee, das Unsichtbare darzustellen, denn Gott sollte auf meinem Fresko nicht erscheinen. Er war ein Schatten in der Bildmitte.
    Julius war begeistert, als er mit den Kardinälen Rafaele Riario, Alessandro Farnese und Giovanni de’ Medici den ausgearbeiteten Karton in der Stanza besichtigte. »Die Vertreibung Heliodors aus dem Tempel! Ein wirklich gelungener Einfall, Raffaello! Die Kirche Gottes als Tempel von Jerusalem! Ippolito d’Este als Heliodor, der die Schätze rauben will! Es gefällt mir«, erklärte er überschwänglich. »Aber sag mir: Welche dieser Figuren soll ich sein? Bisher hat keine von ihnen ein Gesicht.«
    »Keine dieser Figuren, Heiliger Vater«, sagte ich mit fester Stimme.
    »Ich bin nicht auf deinem Fresko zu sehen? Meine Kardinäle zahlen dir tausend Dukaten, um von dir gemalt zu werden! Und mich, deinen Papst, malst du nicht?«, fragte er ungehalten.
    Giovanni de’ Medici schüttelte fast unmerklich den Kopf, als wollte er mich warnen. War er besorgt wegen der Bestechungssumme, die er an Gianni gezahlt hatte, um auf einem meiner Fresken zu erscheinen? Oder wollte er mich vor Julius’ vulkanischen Launen schützen?
    »Ich könnte Euch als Hohepriester malen, Euer Heiligkeit«, schlug ich vor. Ich nahm die Bibel vom Werktisch, um Julius die Szene von Heliodors Vertreibung aus dem Tempel vorzulesen.
    Giovannis Gesichtszüge entspannten sich merklich bei meinem Vorschlag.
    Alessandro Farnese legte seine Stirn in Falten, als er den Blickwechsel zwischen Giovanni und mir bemerkte. Alessandro und ich hatten uns während

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