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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Wenn dir das zu umständlich ist, kannst du mich Sandro Botticelli nennen!«
    Botticellis Name, ›das Fässchen‹, stammte von seinem Freund Leonardo da Vinci, der mit ihm zusammen bei Andrea del Verrocchio gelernt hatte. Er war der größte aller florentinischen Maler neben Leonardo und Michelangelo. Und mit Sicherheit der gewichtigste. Sandro Botticelli wirkte aufgrund seiner Körperfülle auf den ersten Blick unbeholfen, bewegte sich aber mit der Anmut eines Schwans. Er hatte wirre, lockige Haare, die sich wie ein Heiligenschein um sein Gesicht legten. Seine Augen waren von einem feinen Netz grüblerischer Linien umgeben. Ich war nicht sicher, ob er sich mehr in der Wirklichkeit oder mehr in der mythischen Welt seiner Fantasie aufhielt, aus der ihn Savonarola vor einigen Jahren mit der Androhung des Fegefeuers herausgelockt hatte. Botticelli hatte selbst viele seiner Skizzen auf die Scheiterhaufen der Eitelkeiten geworfen.
    Ich fiel auf die Knie, ergriff die Hand des Maestros und küsste sie. »Es ist mir eine Ehre, dich kennen zu lernen, Maestro Botticelli! Mein Vater hat mir oft deine Entwürfe der Primavera und der Geburt der Venus gezeigt, die du ihm bei eurem Treffen geschenkt hattest. Wie heilige Reliquien verwahrte er die Zeichnungen in seiner Mappe.«
    »Das ist kein Grund, vor mir auf die Knie zu fallen, Raffaello! Man schreibt auch dir viel Talent zu. Mir wurde erzählt, dass Perugino vor dir in die Knie ging.«
    »Nicht vor Ehrfurcht, Sandro, sondern vor Zorn!«, gestand ich und erhob mich. »Ich hatte es gewagt, Pietros Vermählung der Jungfrau zu kopieren …«
    »Es ist doch nicht ungewöhnlich, wenn ein Schüler ein Bild seines Meisters kopiert!«
    »Aber es ist ungewöhnlich, wenn die Kopie besser ist als das Original«, formulierte ich selbstbewusst.
    Sandro Botticelli lachte schallend. »Bescheidenheit ist nicht gerade eine deiner hervorragenden Eigenschaften.«
    »Wohl aber das Streben nach Perfektion«, antwortete ich.
    »Das Streben nach Vollkommenheit ist eines der gefährlichsten Leiden, die den menschlichen Geist befallen können«, warnte mich Sandro. »Sie negiert jedes menschliche Maß und bringt dich am Ende um den Verstand.«
    In diesem Augenblick betrat Michelangelo Buonarroti die Bottega. Als er mich im Schein der Kerzen erkannte, prallte er zurück, als wäre er gegen eine Mauer aus Stein gelaufen.
    »Michelangelo!«, rief Taddeo, als er sah, dass dieser sich bereits wieder umwandte, um wortlos die Werkstatt zu verlassen. »Raffaello wird heute Abend mit uns speisen!«
    »Ich esse mit niemandem an einem Tisch, der mich beleidigt hat!«, fauchte Michelangelo.
    »Beleidigt?«, fragte ich erstaunt. »Ich habe dich nicht beleidigt! Ich habe lediglich gesagt, dass dein David zweifelt.«
    »Du hast gesagt: so wie ich!«, brüllte Michelangelo und kam einige schwere Schritte auf mich zu.
    »Das habe ich gesagt.« Ich wich keine Handbreit zurück. »Und nun sag du mir, was du von meiner Interpretation hältst. Dann kann ich entscheiden, wo ich den restlichen Abend verbringe.«
    Michelangelo war für einen Augenblick sprachlos. Er blieb eine Armeslänge vor mir stehen und sah mir in die Augen. Der feine Schatten eines Gefühls huschte über sein Gesicht und blieb im Mundwinkel hängen. »Deine Schlagfertigkeit beeindruckt mich, Santi. Deine Worte treffen wie der Meißel den Marmor. Aber dein freches Auftreten gefällt mir nicht.«
    »Wenn du es willst, werde ich gehen«, antwortete ich. Ich ließ ihn stehen und ging zum Vorhang am Eingang der Bottega.
    »Warte, Santi!«, rief er hinter mir her, offensichtlich überrascht, dass ich das Schlachtfeld räumen wollte. Seine Augen funkelten im Kerzenlicht. »Die Wortgefechte mit dir beginnen mir Spaß zu machen. Bleib, solange sie dir Vergnügen machen!«
    Trotz seiner offensichtlichen Herausforderung blieb ich an der Tenda stehen und wandte mich zu ihm um.
    Michelangelo streckte mir seine Hand entgegen, und ich erwiderte seinen Händedruck, der mir wohl die Finger brechen sollte. Seine Hand, die es gewohnt war, Hammer und Schlageisen zu führen, schien aus Marmor gemeißelt.
    Ich verzog keinen Muskel meines Gesichts, als ich an ihm vorbei zum Werktisch trat, um zwischen Baccio d’Angelo und Sandro Botticelli Platz zu nehmen. Michelangelo setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
    Auf ein Zeichen des Principe trugen seine Diener aus dem Palazzo unzählige Platten auf, die sie auf dem groben Eichenholztisch arrangierten. Silberteller, Weingläser

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