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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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verdreifacht. Warum hast du das getan?«, flüsterte Michelangelo mir zu, als Taddeo von seinem Diener die Goldmünzen entgegennahm, um sie ihm zu geben.
    »Weil der Täufer es wert ist«, sagte ich, und er verstand mich.

    »Va all’ inferno!« , hatte Michelangelo gerufen. »Geh zur Hölle!« Dantes Inferno schien mir ein erstrebenswerterer Ort zu sein als die Straßen von Florenz im Licht meiner Gedanken – obwohl das Gewitter vorbei und die Luft kühl und klar wie Quellwasser war. Ich irrte durch die nächtliche Stadt, auf der Flucht vor mir selbst. Vor meinen Zweifeln.
    »Ich weiß, dass ich nichts weiß!«, flüsterte ich. »Ich habe nicht einmal eine Ahnung, was es noch zu lernen gibt!«
    Michelangelos David antwortete nicht. Im Schein der Fackeln der Signoria leuchtete sein Gesicht. Er sah mich nicht an. Aber er hörte mir geduldig zu, als ich ihm versprach: »Ich muss … ich werde ganz von vorne anfangen!« Alles, was ich in den Jahren, seit ich Peruginos Werkstatt als Maestro della Pittura verließ, geschaffen hatte, schien mir wertlos. Nichtig. Seelenlos.
    Vier Jahre meines Lebens hatte ich in Perugia und Città di Castello vergeudet! Florenz war Himmel und Hölle zugleich! Aber im Gegensatz zu Dante hatte ich keinen Führer durch Paradiso und Inferno. Ich musste meinen Weg allein finden. Ich würde mich vortasten durch die Weglosigkeit, die vor mir lag, Schritt für Schritt würde ich meinen eigenen Weg gehen, indem ich nacheinander jeden Weg ging. Giottos und Masaccios erste zögerliche Schritte ins Renascimento, der Wiedergeburt antiker Ideen. Fra Angelicos Erforschung der unsterblichen Seele. Peruginos ausgetretenen Weg der körperlichen Darstellung. Leonardos verschlungenen Pfad der Selbstreflexion. Michelangelos steilen Anstieg zur göttlichen Inspiration.
    Mach zuerst den ersten Schritt, dann den zweiten! Folge dem Weg, den du vor dir siehst, und lass dich nicht beirren! Wenn das Ziel jenseits des Horizontes liegt, ist der Weg dorthin lang und beschwerlich. Wie oft würde ich vom Weg abkommen, die Richtung verlieren? Wie oft würde ich stecken bleiben im Sumpf der Selbsttäuschung? Wie oft das Ziel in Frage stellen?
    Es war lange nach Mitternacht. Entschlossen erhob ich mich von den Stufen der Loggia und machte mich auf den Weg.
    Leonardo sollte mir einen Weg jenseits aller Wege zeigen, einen Weg jenseits der Weglosigkeit. Er gab mir eine Richtung und ein Ziel: die Freiheit.
    » Was willst du?«, fragte er mich ungläubig lachend.
    Er saß mit Giacomo Salai, seinem jungen Geliebten, beim späten Nachtmahl. Salai quittierte mein unerwartetes Erscheinen in der Bottega zur dritten Morgenstunde mit einem verärgerten Stirnrunzeln, sagte aber kein Wort.
    »Lernen! Ich will bei dir in die Lehre gehen!«, insistierte ich und schob ihm fünfzig Fiorini Lehrgeld über den Tisch. Das war alles, was ich besaß: das Stipendium des Gonfaloniere.
    »Du bist einundzwanzig Jahre alt und seit vier Jahren Maestro, Raffaello. Lernen? Was willst du lernen?«, fragte Leonardo unwillig. Er schob den Teller von sich.
    »Alles! Ich will ganz von vorne anfangen! Die Perspektive …«
    »Die kannst du bei Masaccio lernen«, unterbrach mich Leonardo. Irritiert sah er mir zu, wie ich in der Bottega auf und ab lief.
    »… die Haltung …«, fuhr ich fort.
    »Sieh in den Spiegel, Raffaello! Du bist eine lebende Skulptur.«
    »… die Anatomie des Menschen …« Vor Leonardos Skizze an der Wand blieb ich stehen. Der Mensch in Kreis und Quadrat. Der Mensch in der Welt.
    »Ich nehme keinen Garzone mehr in die Lehre!« Leonardo blieb hart wie Stein. »Das ist mein letztes Wort. Basta! «, unterbrach er meinen hitzigen Protest. Mit einer gebieterischen Handbewegung fegte er mein letztes Argument vom Tisch.
    Verzweifelt ließ ich mich auf einen Stuhl fallen.
    Leonardo betrachtete mich nachdenklich. »Du könntest meine Vorlesungen in San Marco besuchen …«, begann er in versöhnlicherem Tonfall.
    Ich sah auf. »Vorlesungen?« Ich dachte an die Bibliothek von San Marco mit ihren tausend Manuskripten und Büchern, die umfangreichste und bedeutendste seit dem Brand der Bibliothek von Alexandria. »In welchem Fach unterrichtest du?«
    »In menschlicher Anatomie.«
    »Du hast Medizin studiert?«, erstaunte ich mich.
    »Ich habe den Menschen studiert«, erklärte Leonardo. Dann fügte er an: »Ich habe Leichen seziert.«
    Ich sah ihn entsetzt an.
    Das Sezieren war selbst einem Medicus verboten! Nur an den Universitäten wurde ein Mal

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