Der Fürst der Maler
vom ›Vater‹ des kleinen Herzogs, Francesco della Rovere, unterschrieben.
Lucas Taufe war ein großes Fest, das dieses Mal nicht ich organisierte, sondern mein Freund Timoteo Viti. Onkel Bartolomeo taufte den Jungen, ohne zu ahnen, dass Luca mein Sohn war, und wünschte ihm ein langes und friedvolles Leben. Ich sprach die Worte meines Onkels in Gedanken nach: ›Benedicat tibi Dominus et custodiat te.‹ Doch mein Gebet war wohl zu leise gewesen, denn Gott hörte mich nicht …
Herzog Guido, der keine eigenen Kinder hatte und aus diesem Grund Francesco als Erben des Titels adoptierte, war ganz vernarrt in den kleinen Luca. Guido war erst vierunddreißig Jahre alt, und er hatte sich so sehr eigene Kinder gewünscht, die die Dynastie fortsetzen konnten. Er trug den kleinen Luca auf dem Arm durch den Palast, so oft es seine Schmerzen zuließen. Er verwöhnte ihn mit Süßigkeiten und trieb die Amme zur Verzweiflung.
Eines Abends bat er mich überraschend in sein Arbeitszimmer.
»Das letzte Mal, als wir uns hier in Eurem Arbeitszimmer trafen, Euer Exzellenz, habt Ihr mir eine Ohrfeige gegeben«, erinnerte ich ihn.
Herzog Guido verzog die Lippen, die so oft im Schmerz zusammengepresst waren, zu einem Lächeln: »Zu Recht, Raffaello! Du hattest im Sommer mit Francesco eine Schneeballschlacht in den Kellergewölben des Palastes veranstaltet – mit dem Schnee aus den Kühlbehältern für die Konservierung der Lebensmittel.
Francesco und du, ihr habt euch nie an die Regeln gehalten! Ihr tut es heute noch nicht. Francescos Liebesabenteuer mit Clarissa Buffa, der Tochter meines Sekretärs, kann ich nicht dulden. Genauso wenig wie deine Affäre mit Eleonora, die ein Affront ist gegen die Gonzaga, die d’Este und della Rovere.« Sein Lächeln war verschwunden wie die Sonne zwischen den Wolken. Sein blasses, schmales Gesicht mit den wasserblauen Augen war sehr ernst.
»Euer Exzellenz! Ich habe Eleonora geliebt, bevor sie eine della Rovere wurde …«, verteidigte ich mich.
»Francescos Schwester Fioretta läuft dir hinterher, seit sie wieder in Urbino ist«, unterbrach er mich. »Und du hast dich mit Felice della Rovere vergnügt, bevor sie Gian Giordano Orsini geheiratet hat. Seine Heiligkeit hat getobt, als er davon hörte.«
Ich schwieg betroffen. Der Papst wusste von meiner Liebesnacht mit Felice!
»Ich habe ihm vor einigen Tagen eine der Zeichnungen gesandt, die du von deinem Sohn gemacht hast …«, begann der Herzog. Er ließ mich nicht aus den Augen. »Der kleine Luca della Rovere ist doch dein Sohn, nicht wahr?«
Weder die Herzogin Elisabetta, noch Eleonora oder Francesco hatten ihm die Wahrheit gesagt. Woher wusste er …?
Zögernd begann ich: »Euer Herrlichkeit, ich …«
»Julius hat Tränen gelacht, als er davon erfuhr«, unterbrach er mich. »Das hat er mir geschrieben – er griff selbst zur Feder.«
»Er hat gelacht?«, fragte ich verblüfft.
»Er fragt, warum du nicht auch Felice geschwängert hast. Dann wäre ihm ein kleiner Orsini als Enkel erspart geblieben. Papst Julius und Orsini stehen kurz davor, sich den Krieg zu erklären, weil Orsini sich weigert, an dem Feldzug gegen die Baglioni in Perugia und die Bentivoglio in Bologna teilzunehmen. Seine Heiligkeit ist so zornig, dass er über eine Scheidung der Ehe zwischen Felice und Gian Giordano Orsini nachdenkt.«
Die Pest verschwand wenige Wochen später, wie sie gekommen war, über Nacht, und ließ Hunderte von Toten und Sterbenden zurück. Mitten im Sommer setzten die Urbiner ihre bunten Karnevalsmasken auf, veranstalteten Bankette mit Musik und Tanz und gaben sich in den Straßen von Urbino noch anderen sinnlichen Genüssen hin.
Francesco und ich zogen maskiert und verkleidet durch die Straßen: Er war ich, und ich war er. Wir hatten viel Spaß, während die Priester, allen voran mein Onkel, Pater Bartolomeo, von den Kanzeln von San Francesco und San Domenico gegen Wollust und Gottlosigkeit lamentierten. Savonarola wäre stolz auf ihn gewesen.
Im Juli traf ein Brief von Leonardo aus Mailand ein. Er beklagte sich darüber, dass Piero Soderini von ihm verlangte, nach Florenz zurückzukehren, um die Schlacht von Anghiari zu vollenden. Doch er wollte in Mailand bleiben, nicht nur wegen der Verehrung, die ihm Charles d’Amboise und sein gesamter Hof entgegenbrachten, sondern auch weil sich König Louis von Frankreich für ihn interessierte und ihn nach Blois einlud. Leonardo wurde zum Zankapfel in einer diplomatischen Auseinandersetzung
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