Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
Vom Netzwerk:
Reißzähnen anzusehen.
    Im Verlauf der Nacht gab Mica es auf, ihnen weit vorauszueilen und gesellte sich an ihre Seite. Je länger sie unterwegs waren, desto angenehmer schien ihm ihre Gesellschaft zu werden. Zumindest glaubte Berenike, das in seiner gelassenen Miene deuten zu können. Sie fielen in einen gleichmäßigen Dauerlauf. Berenike rückte das Bündel auf ihrem Rücken zurecht. Darin enthalten waren Kleidungsstücke, eine Pfanne, eine angebratene Gans sowie die beiden Eier, die sie aus Mangel an Appetit verschmäht hatte. Ihre letzte Mahlzeit lag drei Nächte zurück und hatte aus Blut bestanden. Noch immer zehrte sie davon, zumal es von einem alten Vampir stammte. Es dämpfte jegliches Hungergefühl. Sie verbannte Branwyn aus ihren Gedanken. Unaufhaltsam rollte seine gerechte Strafe auf ihn zu. Selbst wenn es ihnen misslang, rechtzeitig in Medmenham aufzutauchen, würde ihm ohne den Kristall niemand glauben. Ausnahmslos würde ihn die Abordnung für größenwahnsinnig halten.
    Ihre Gedanken wollten zurück zur Scheune und zu Juvenal schweifen. Auch das wollte sie nicht zulassen. Seine raue Stimme, seine Anstrengung, an sich zu halten, sogar die Tatsache, dass er sich vor dem Mond verstecken musste, während sie den Nachtwind in ihrem Gesicht spürte, nagten an den Rändern ihres Herzens. Grishan bot in seiner seltenen Schönheit und einer Exotik, die der ihren gleichkam, Ablenkung.
    „Hast du eine Ahnung, aus welchem Land er kommt, Mica?“
    Nach einem kurzen Seitenblick zu Grishan, der neben ihnen über das lockere Erdreich eines Feldes lief, hob er die Schultern. „Schwer zu sagen. Der Dschungel scheint ihm fremd zu sein. So wie er riecht, würde ich behaupten, er stammt aus dem Südwesten der neuen Welt. Dort gibt es weites, unerforschtes Land und die eine oder andere Küstenstadt, die regen Handel treibt.“
    „Er muss seine Heimat und seine Familie sehr vermissen. Ich weiß von seiner Mutter und seinen Schwestern.“
    „Er ist jung, Nike. Für uns sind es kurze Jahre, da er von ihnen getrennt wurde. Ihm mag es eher wie eine Ewigkeit vorkommen. In Gilian hat er einen Vater gefunden und ein neues Zuhause.“
    Ja, und beides hatte er wieder verloren. Es kam einem Wunder gleich, dass er diese weiteren Schicksalsschläge verdaut hatte, ohne zu resignieren oder gar aggressiv zu werden. Grishan war ein aufmüpfiger junger Bursche, aber weit davon entfernt, anderen ernsthaften Schaden zuzufügen.
    „In Andalusien wird er eine neue, feste Heimat finden. Gewiss wird Juvenal ihm ein guter Vater sein. Er wird viel von ihm lernen. Und ich werde ihm die verlorene Zuneigung seiner Mutter ersetzen.“
    Mica lachte auf. „Ob ihm dies zusagen wird, bleibt dahingestellt. Ich denke da an unsere Mutter.“
    Berenike zog eine betont abweisende Grimasse. „Ich bin nicht Selene.“
    „Du bist ihre Tochter und hegst ähnliche Besitzansprüche. Sonst würdest du mir kaum so hartnäckig an den Fersen kleben.“
    Hier bot sich die Möglichkeit, auf ihre Sorge um ihren Bruder zu sprechen zu kommen. Welche Sehnsüchte trug er in sich? Wie war es ihm gelungen, Jahrtausende bei klarem Verstand zu bleiben, während um ihn herum ganze Kulturen und Generationen erloschen? Aber jede Frage konnte die Eintracht zwischen ihnen stören. Der gemeinsame Lauf durch die Dunkelheit schmiedete sie zusammen. Vor sehr langer Zeit war diese Einigkeit zwischen Vampiren und Lamia die Regel gewesen. Er hatte es erlebt, und doch war nie ein reinblütiges Kind daraus entstanden. Ob er dies bedauerte? Laut stellte sie eine andere Frage. „Wohin gehen wir eigentlich? Nach Dover?“
    „Zum Beachy Head in der Nähe von Eastbourne. Von seinen Klippen werfe ich den Kristall ins Meer. Das ist ein würdiger Ausgang für einen unwürdigen Raub. Sobald ich den Spiegel der Sonne hervorhole, wird sein Strahlen die Asrai anlocken, und sie wird ihrem Schatz in sein nasses Grab folgen. Damit hat dann auch sie eine neue Heimstatt gefunden.“
    „Dann können wir nur hoffen, dass die Asrai das Salzwasser besser verträgt als das alte Volk und nicht davor zurückschreckt.“
    „Darüber mache ich mir nun wahrlich keine Gedanken, Nike.“
    Im Osten graute der Morgen, und sie schlugen sich in den Wald. Grishan haschte mit den Vorderpranken nach einigen aus den Baumkronen segelnden Blättern.
    „Er ist überaus niedlich“, befand Berenike. „Ob er sich anfassen lässt?“
    „Oh, ich bin sicher, dass er nach Berührung giert. Er hat sich sogar von Juvenal

Weitere Kostenlose Bücher