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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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zurückzulegen an diesem Tag.
    Denn er wollte zu ihr! Nike. Ihr Gesicht war ein verschwommener Fleck in seinem Gedächtnis, beherrscht von glänzenden Mandelaugen. Weitaus präsenter war ihr Duft. Wenn er bei ihr angelangt war, glich es einer Heimkehr. In diesem fremden Land war sie sein Hort. Seine Wolfsgedanken waren unstet und verschwommen, besannen sich auf weiche Hände, die seinen Pelz noch nie berührt hatten. Der Wolf schätzte keine Berührung, doch bei ihr würde er eine Ausnahme machen. Irgendwann. Sie sollte seine Gefährtin werden.
    Er wurde schneller und trabte um einen dicken, von Moos überwachsenen Stamm herum, der in einem Bett aus niedrigem Farn und Efeu lag. Ihm war nach Rennen zumute, nach langen Sprüngen, die die Distanz zu ihr verringern würden. In einem Impuls machte er drei weite Sätze, ehe ihm Sancho einfiel. Sofort blieb er stehen und drehte sich um. Sein Omega war zurückgefallen und sprang mit wehendem Schweif und fröhlich gespitzten Ohren über den mächtigen Stamm. Für einen Moment schwebte er schwerelos in der Luft, ein Wolf mit Stiefeln an den Seiten und einer Stoffrolle auf dem Rücken. Bei seinem Anblick stellten sich Juvenals Nackenhaare auf. Zwischen all den lebendigen Gerüchen des Waldes witterte er Metall. Er bellte einmal scharf und laut auf. Ein Warnlaut, der seinen Omega zu spät erreichte. Sancho setzte mit den Vorderläufen auf. Elegant und ohne Schaden zu nehmen. Das Schnappen erfolgte beim Auftreffen seiner Hinterläufe. Laut und endgültig hallte es durch den Wald. Sancho stürzte ins Laub. Schock stand in seinen Wolfsaugen. Jedes einzelne Haar in Juvenals schwarzem Fell sträubte sich in einem Schauder des Entsetzens. Noch während er auf Sancho zujagte, wurde Juvenal zum Mann.
    Die Gefahr hatte im Laub gelauert, unsichtbar für jedes Tier. Ein Falleisen! In jedem Wald waren sie zu finden, ausgelegt von Jägern oder Wilderern. Jeder Alphawolf wusste davon und warnte sein Rudel davor. Vielleicht hatten Sancho das Gepäck auf seinem Rücken und die baumelnden Stiefel zu sehr irritiert, vielleicht war die Falle auch zu gut verborgen gewesen. Das Schnappeisen hatte seine langen Zacken nicht in seine Pfote gebohrt, sondern weit oben in seinen Hinterlauf. Blut sickerte hervor. Sancho blieb still liegen und winselte.
    „Warte, mein Freund, ich öffne die Falle für dich.“
    Juvenal legte die Hände an das kalte Eisen und zögerte. Es war ein kleines Falleisen, für Füchse gedacht, und doch hatte es den denkbar größten Schaden angerichtet. Die metallischen Zähne mussten eine lebenswichtige Ader verletzt haben. Wenn er das Eisen aufdrückte, würde Sancho verbluten. Zunächst musste er den verletzten Hinterlauf abbinden. Seine Finger entwirrten die Knoten des Seiles, mit dem die Kleiderrolle auf dem Wolfsrücken gehalten wurde. Hemden, Hosen und Strümpfe verteilten sich um Sancho. Der Rudelwolf verwandelte sich, als könnte es die Heilung vorantreiben. Dabei wusste er, dass dies nur bei Alphawölfen der Fall war. Ein von Juvenal gebissener Mensch konnte solche Wunden nicht selbst heilen. Es machte alles nur schlimmer.
    „Nein! Sancho, nein!“
    „Herr, es war meine Schuld. Ich war unachtsam“, murmelte Sancho schwach.
    Vor Juvenal lag ein nackter Mann mit prallem Bäuchlein und schmerzverzerrtem Gesicht. Ein Mann, der in seinem Rudel geboren und ein Teil von ihm war. Achtundsiebzig gemeinsame Jahre durften nicht in diesem englischen Wald enden. Seine Heimat und seine Gefährtin Catalina waren weit fort. Juvenal hatte ihr ein Versprechen gegeben, so wie vor jeder Reise, zu der Sancho ihn begleitete. Er würde ihren Gefährten heil und gesund zu ihr zurückbringen. Sollte dieses Versprechen etwa an einer gemeinen Eisenfalle zerschellen? Hastig zog er das Seil unter Sancho hervor und wollte es um seinen Oberschenkel schlingen, direkt über die Eisenzähne, die sich in seinem Fleisch verbissen hatten. Blut. Überall war Blut.
    „Herr, lasst das sein!“, begehrte Sancho auf. „Zieht dieses verdammte Eisen auf und erlöst mich davon!“
    „Zuerst muss ich dein Bein abbinden, sonst stirbst du!“
    Sancho rollte unbeholfen auf den Rücken. Die Kette des Fangeisens klirrte. Wie hatte es bloß geschehen können, dass dieses verfluchte Ding sich in seinen Oberschenkel bohrte? Es gab keine Antwort darauf. Unbeirrt blickte Sancho ihm in die Augen, bar jeden Haders.
    „Ich sterbe sowieso, Herr, aber lasst mich bitte nicht mit diesem Ding in meinem Leib den letzten Atemzug

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