Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
überhaupt ausstaffiert? Angesichts der grashüpfergrünen Kniehosen und dem feuerroten Spitzenhemd verschlug es Juvenal die Sprache. Damit nicht genug hatte Grishan zwei schwarze Perlen in seine Ohrläppchen gesteckt und ein schwarzes Samtband um seinen Hals geschlungen.
„Komm sofort da runter!“ Juvenal war viel zu irritiert von der seltsamen Farbkombination, um hinreichend Nachdruck in seinen Befehl zu legen.
Gemächlich setzte Grishan sich auf und sah provokant auf ihn herab. „Weshalb sollte ich?“
Hinreichend gereizt durch die grelle Kleidung und die Penetranz eines Jungwolfes gleichermaßen, zog Juvenal die Augenbrauen zusammen. Dieser Bursche setzte wahrlich alles daran, ihn gegen sich aufzubringen. „Weil einzig Federvieh im Gebälk hockt!“
Dieser Vergleich hatte getroffen. Röte stieg Grishan ins Gesicht. Gleichwohl blieb er sitzen und starrte Juvenal unbeirrt nieder. Junge Werwölfe suchten den Machtkampf, das wusste er von seinen Söhnen, die sich frühzeitig darin geübt hatten. Allerdings war die Erprobung des eigenen Willens einem erfahrenen Leitwolf gegenüber von vornherein zum Scheitern verurteilt. Juvenal starrte zurück, bis Grishan auf dem Balken herumzurutschen begann und die Schultern nach oben zog. Schließlich erlag er seiner Unruhe und sprang herunter. Ein wenig versöhnlicher gestimmt wies Juvenal auf das Samtband.
„Was soll dieses Band um deinen Hals?“
„Es erinnert mich daran, wo ich den Kopf des Vampirs von den Schultern trennen werde.“ Grimmig zog Grishan den Daumen an dem Band entlang.
Juvenal verkniff sich jeglichen Kommentar. Nach den Perlohrringen erkundigte er sich lieber nicht. Wenn sich eines zeigte, dann der Fakt, dass Gilian in der Erziehung seines Pflegesohnes einiges versäumt hatte.
„Eines Tages wirst du ein Rudel anführen, Grishan. Es mag dahingestellt sein, was es von deinem geckenhaften Aufzug hält, aber etwas musst du dir merken: Bevor du Respekt verlangst, musst du ihn selbst erlernen. Gehorsam ist eine wichtige Lektion für einen künftigen Leitwolf.“
Grishan stemmte die Hände in die Hüften und spreizte seinen Stand. „Gehorsam? Ich bin entschlossen, den Mörder meines Vaters zur Rechenschaft zu ziehen. Dir scheint das gleichgültig zu sein. In den vergangenen vier Nächten warst du außer Haus, ohne mich zu fragen, ob ich dich auf deiner Jagd begleiten will. Ist das deine Vorstellung von Gehorsam?“
Demonstrativ musterte Juvenal die beißend grünen, eng anliegenden Kniehosen. Im letzten Moment verkniff er sich eine weitere bissige Bemerkung. Grishan war es ernst. Er glaubte fest, dass er einen Vampir zur Strecke bringen konnte. Natürlich war er viel zu jung dazu, aber das hinderte einen künftigen Krieger nie, sich die Rache in allen Einzelheiten und äußerst blutrünstig auszumalen. Ihn deswegen auszulachen, wäre der größte aller Fehler. Immerhin konnte er dem Jungen ein wenig über die Enttäuschung hinweghelfen.
„Von Branwyn fehlt jede Spur. Ich war in den Parks, Schänken und Theatern, doch es sieht so aus, als müsste ich mich in die feine Gesellschaft begeben. Nach Gilians … Tod beansprucht Branwyn ohne jeden Zweifel London für sich. Er wird sein Revier bis in die höchsten Kreise abstecken. Diese Briefe öffnen mir die Türen. Ich muss lediglich entscheiden, welche der Einladungen den größten Nutzen bringt. London ist überaus neugierig auf den Erben von Lord Garron.“
Aufmerksam hatte Grishan zugehört. In seinen Augen nahm der Goldschimmer zu. Juvenal stutzte. Er kannte alle Sippen, unter ihnen gab es keinen Alphawolf mit goldenen Augen. Grishan schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Eine hoffnungsfrohe Frage holte ihn aus seinem Grübeln.
„Da ich sein Sohn und damit Erbe bin, werde ich dich also von heute an begleiten?“
„Nein, Junge, ich habe dich nur eingeweiht, weil dir die Neugier in großen Lettern auf die Stirn geschrieben steht.“
In einem Reflex rieb sich Grishan darüber. Als er sich seiner Geste bewusst wurde, bleckte er die Zähne. Außerstande, längerstillzustehen, stiefelte er durch die Bibliothek. Sein Hüftschwung war auffällig. Für einen Werwolf geradezu verwerflich. Juvenal schwankte zwischen Belustigung und Ärger.
„Du kannst mich nicht ausschließen, Juvenal. Ich habe ein Recht auf Vergeltung!“
„Wie viele Kämpfe hast du bisher ausgetragen?“
Grishan ballte die Fäuste. „In mir ist genügend Kraft, um einen Vampir herauszufordern.“
Unwillkürlich musste
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