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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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dem Gesicht, während Juvenal seinen Sohn in die Arme hob. Die Starre des Körpers entriss ihm ein heiseres Aufstöhnen. Es war derselbe Körper, der einst auf seinen Knien gesessen, den er in den Schlaf gewiegt hatte. Klein war sein Sohn damals gewesen, und so warm. Lebendig. Gott, er würde das nicht durchstehen.
    „Herr …?“
    Juvenal blinzelte und ging in den Gang hinaus. Dort blieb er stehen. Sein Verstand versagte und sein Brustkorb war so eng, dass er kaum atmen konnte. Wo war der Garten? Wohin musste er sich wenden? Sancho ging gemessenen Schrittes voraus. Grishan blieb dicht neben ihm, unbeirrt den Blick auf Gilian gerichtet.
    Draußen empfing sie Morgennebel und das einsame Trällern einer Amsel. Auf dem Rasen war ein Holzstoß aufgeschichtet. Sancho hatte viele Stunden daran gearbeitet. An der letzten Ruhestätte für einen Alphawolf. Die Scheite verrutschten unter Juvenals Füßen. Ein morscher Ast brach mit einem lauten Knacken. Auf der höchsten Stelle legte er Gilian nieder, drückte einen Kuss auf seine Stirn und stieg wieder hinab. Diese letzte Berührung drohte sein Herz zu sprengen. Mehrmals musste er tief durchatmen. Im Uhrzeigersinn umrundete er mit Sancho den Scheiterhaufen und entzündete das trockene Holz. Flammen knisterten auf, wuchsen heran und breiteten sich aus. Grishan schlug die Hände vors Gesicht und sank auf die Knie.
    Ein großes Rudel hätte den Klagegesang für seinen Leitwolf anstimmen sollen, doch es war geflohen. Lediglich ein Alphawolf und zwei Omegas legten die Köpfe in den Nacken und betrauerten den Tod eines Kriegers aus alter Sippe. Ihr Jaulen stieg zu einem unbeteiligten Himmel auf. Grishan fiel ein. Schief und misstönend. Hitze umflirrte Gilian. Wie in einem letzten Abschiedsgruß wehte eine lohfarbene Haarsträhne auf. Dann erreichten ihn die Flammen.
    Sie standen dicht beisammen, bis das Feuer zu roter Glut herabbrannte und der Rauch verflog. Wind spielte in den Ascheflocken.
    „Es ist vorbei“, jammerte Grishan.
    „Die Jagd meines Sohnes ist vorbei, das ist wahr. Aber die meine beginnt erst. Sein Tod wird gesühnt.“
    Grishan sprang auf. Sein Gesicht erlangte die kantige Härte eines Kriegers. „Ja! Wir werden seinen Tod rächen!“
    Juvenal starrte auf die Überreste des Scheiterhaufens und verzichtete darauf, Grishan aufzuklären. In diesem Fall gab es kein Wir.

3
    J
uvenal schlüpfte in die Bibliothek und schob den Riegel vor, um Melody fernzuhalten. Die junge Rudelwölfin klebte unentwegt an seinen Fersen. Er konnte nicht einmal mehr in Ruhe an einen Baum pinkeln, ohne dass sie hinter ihm auftauchte. Die Erwartungen strömten geradezu aus ihr heraus. Ein anhaltendes, obgleich lautloses Bombardement, das zunehmend lästiger wurde. Melody hatte eine tragende Rolle innerhalb des Rudels gespielt. In Gilians Bett. Nun hielt sie es für ihre Pflicht, dieselbe Intimität mit ihrem neuen Leitwolf weiterzuführen.
    Ein weiterer schwerer Fall war Grishan. Er hatte mit der Axt den Ebenholztisch in der Bibliothek zertrümmern wollen und hätte sich beinahe die scharfe Schneide ins Bein geschlagen. Sie hatten den Tisch aus Sicherheitsgründen in die Kellerzelle gebracht. Die Abdrücke des schweren Möbelstücks blieben jedoch im Teppich zurück und gemahnten an Gilian, der reglos darauf aufgebahrt gewesen war. Juvenal schlug einen Bogen, als stünde der Tisch noch immer im Raum und ging zum Sekretär am Fenster. Briefe und Rechnungen waren von Sancho sortiert und gestapelt worden. Der größte Stapel lag in der Mitte. Juvenal nahm ihn auf und ging ihn durch. Derzeit machte der Tod von Lord Garron in der Gesellschaft die Runde und die ersten Beileidsschreiben und Einladungen waren für seinen Vetter und Erben, Don Juvenal de la Ronda, eingetroffen. Sein falscher Name und der Hinweis auf ein gewaltiges Vermögen waren seine Eintrittskarte in die Häuser der Aristokratie.
    Ein gedämpftes Geräusch schreckte ihn aus seiner Lektüre auf. Er blickte über die Schulter, drehte sich um. Die Tür war verriegelt und in dem quadratischen Raum konnte sich niemand verbergen. Er musterte die wuchtige Sitzgarnitur vor dem Kamin, dann schweifte sein Blick zu den Dachbalken. Auf einem der Querbalken hatte Grishan sich bäuchlings ausgestreckt und ließ einen Arm und ein Bein über die Kante baumeln.
    „Bei allen Höllenhunden, was machst du da oben?“
    Grishan quittierte die Frage mit einem aufreizend trägen Blinzeln. Wie war er dort hinaufgekommen? Und wie hatte er sich

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