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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Juvenal lächeln. Er kannte solche Gespräche. Bei vier Kindern waren sie unvermeidlich gewesen. So wusste er auch sehr gut, womit er einen jungen Wolf ablenken konnte. „Du fließt geradezu über vor Kraft, will ich meinen. Ich sage dir etwas. In der Abenddämmerung gehen wir gemeinsam in den Wald. Auf der Jagd kannst du mir zeigen, was Gilian dir beigebracht hat.“
    Das war der perfekte Köder. Junge Alphawölfe gierten nach nächtlichen Jagden, wollten hetzen, bis ihnen die Zunge aus dem Hals hing und sie vor Erschöpfung umfielen. Doch kaum leuchteten die Goldaugen auf, erlosch das Feuer wieder.
    „Ich jage von jeher auf eigene Faust“, wiegelte Grishan ab.
    Lag es an Juvenal oder am Schock des plötzlichen Verlustes? Der Junge hatte seinen Anker verloren und sein Vertrauen in einen anderen musste erst wachsen. Juvenal setzte auf eine unwiderstehliche Verlockung. „Ich spreche nicht von Hasen, sondern von großem Wild.“
    Ein Anflug von Sehnsucht erhellte das schmale Gesicht und verflog. Grishan sah beiseite und fuhr mit den Fingerkuppen über die Buchrücken. „Einmal habe ich einen Eber gehetzt.“
    „Hast du ihn auch gerissen?“
    „Ich war ziemlich nah dran.“
    „Oh, sehr gut!“
    „Ich jage stets allein“, sagte Grishan und bedachte ihn mit einem entschlossenen Blick. „Außer den Vampir. Den könnten wir gemeinsam zur Strecke bringen. Machen wir das?“
    Ein Vampir war kein Eber. Grishan ersehnte einen Kampf, ohne an die Konsequenzen zu denken. Er sah Ruhmestaten und vergaß darüber das Blut, das vergossen, und das Leben, das genommen wurde. Es konnte das des Gegners sein oder auch das eigene. „Das kann ich dir nicht erlauben. Aber ich kann dir zumindest heute Nacht eine andere Ablenkung bieten.“
    Grishan warf den Kopf zurück. Auch diese Gebärde war Juvenal von seinen Kindern vertraut. Unbelehrbar waren sie gewesen. Stets darauf aus, sich zu beweisen und erfüllt von der Gewissheit, dass ihr Vater eingreifen würde, sollten sie in ernste Gefahr geraten. Er hatte selbst daran geglaubt – bis die Tragödie mit Alba ihm das Gegenteil bewiesen hatte. Seine Macht war begrenzt.
    „Ablenkung“, stieß Grishan geringschätzig aus. „Was immer du dir darunter vorstellst, du kannst es dir bis zum Anschlag in den Arsch schieben!“
    Kaum war es ausgesprochen, machte Juvenal einen Satz, packte Grishan im Genick und schüttelte ihn durch. Er war der Leitwolf. Ungeachtet der heftigen Gegenwehr drückte er Grishan nieder, bis er auf die Knie fiel und seine Stirn den Teppich berührte. „Kleide dich von mir aus wie ein Geck, und zieh dir die Perlen durch die Nase, wenn es sein muss.“ Seine Stimme wurde zu einem dumpfen Grollen. „Aber Unflätigkeiten mir gegenüber wirst du dir verkneifen. Solltest du das vergessen, hänge ich dich kopfüber an diese verfluchten Balken wie einen ausgenommenen Pfau. Ist das deutlich geworden?“
    Grishan knirschte mit den Zähnen. Eher würde er sich die Zunge abbeißen, anstatt klein beizugeben. Wie seine Söhne. Bei ihnen hatte seine Strenge auch versagt. In allem, was der Junge machte oder sagte, verbarg sich ein Stück schmerzhafter Erinnerung. War am Ende seine Unbeugsamkeit, sein harscher Wille der eigentliche Auslöser allen Unglücks? Dieser Gedankenblitz traf ihn unvorbereitet. Jäh ließ er von Grishan ab und wich zurück.
    „Weshalb bist du nur so störrisch, Junge? Ich meine es gut mit dir.“
    Grishan rollte sich zur Seite und umfasste seine angewinkelten Knie. „Ich hasse dich!“
    „Weil du ein Kindskopf bist, aus keinem anderen Grund“, schleuderte Juvenal auf ihn hinab und marschierte aus der Bibliothek.

    Nacht für Nacht lauschte Berenike dem Klopfen der Holzwürmer im morschen Gebälk, als könnte sie daraus eine Botschaft entnehmen, die ihr die Entscheidung abnahm. Die Vernunft drängte, London auf schnellstem Wege zu verlassen und ihren Mordplan aufzugeben. Ihre Erziehung wiederum wies die bloße Idee des Aufgebens weit von sich. Durch ihren Kopf schwirrten Legenden über die Kampfeswut und Tollkühnheit der Lamia. Jede Überlieferung lief auf dasselbe hinaus: Sieg oder Erlöschen – dazwischen gab es nichts.
    Mehr noch als Entschlossenheit benötigte sie eine brauchbare Strategie gegen das Oberhaupt der Garou. Im Schutz der Abenddämmerung war sie noch einmal zu dem Anwesen zurückgekehrt und hatte ihn bei einem Spaziergang im Garten gesehen. Sein Anblick bestätigte ihren ersten Eindruck. Er war ein großer Mann, und obgleich er

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