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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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würde er sich auf sie stürzen. Noch war er ahnungslos, und so sollte es bleiben. Sie glitt auf ihn zu. Ihre Stimme verdoppelte sich, strich zwischen den Baumstämmen hindurch.
    „Denkst du wirklich, ich benötige einen Silberpfeil oder deine Hilfe, um einen Werwolf umzubringen? London ist für mich uninteressant. Es mag dir gehören, solange du mir aus dem Weg gehst. Das ist die einzige Abmachung, zu der ich bereit bin.“
    Lange blickten sie sich an. Ihr Machtkampf bedurfte keiner Worte. Sie erspürte das Tasten seines Vampirverstandes ähnlich einem Ziepen hinter ihrer Stirn und verschloss ihre Gedanken. Das Lächeln gefror auf seinen Lippen. Nach und nach wich er zurück. Mit einer letzten Verneigung verschwand er in den Schatten der Nacht. Der Geruch nach Rosmarin und Thymian verflog. Berenike drückte die Hand auf ihre Stirn. Vor Erleichterung wäre sie am liebsten zu Boden gesunken, doch sie blieb stehen und begnügte sich mit tiefen Atemzügen. Die Kälte der Nacht legte sich wohltuend auf ihre Sinne.
    Ein letztes Mal drehte sie sich dem Haus zu und blickte zu dem erleuchteten Fenster auf. Gilian de Garou war tot, ihr Plan hatte eine unerwartete Wende genommen. Sein Vater Juvenal war ein anderes Kaliber. Hinter ihm lag ein von Kämpfen geprägtes Leben. Jede Konfrontation hatte er für sich entschieden. Unbesiegbar nannten sie ihn. Selene hatte es nie bestätigt, doch das Gerücht, er habe ihr einst gegenübergestanden und es überlebt, hielt sich hartnäckig. Dieser Alphawolf besaß nicht nur ein gefährliches Temperament, er witterte garantiert auch jede Falle, lange bevor sie gelegt wurde. Das Wagnis war schwindelerregend hoch.
    „Doppelt und dreifach verdammt“, zischte sie und stiefelte unverrichteter Dinge in ihre Unterkunft zurück. Es war ein geringer Trost, dass sie glimpflich und mit dem Leben davongekommen war.

    Bis die Brüche in seinen Fingerknochen verheilt waren, blieb Juvenal ausreichend Muße zum Nachdenken. Sein Gewaltakt gegen eine Balustrade hatte ihn ernüchtert. Er musste Gilians Tod akzeptieren und sich den Lebenden zuwenden. Sancho, Melody und ein verstörter Jungwolf brauchten Orientierung, und er als Leitwolf musste sie ihnen geben. Prüfend krümmte und spreizte er die Finger. Die Steifheit war aus den verheilten Knochen gewichen. Er tauchte die Hände in kaltes Wasser und wusch das getrocknete Blut der Hautabschürfungen fort. Sancho, der ihn unentwegt beobachtet hatte, reichte ihm ein Handtuch.
    „Was ist mit dem Welpen, Sancho?“
    Sein Omega flüchtete sich in ein anhaltendes Räuspern. „Ja … es verhält sich so, Herr. Ich war im Keller und … für einen Welpen ist er recht groß. Und laut ist er auch. Und ungebärdig!“
    „Demnach ist er noch immer eingesperrt?“
    Mit einem verlegenen Schulterzucken legte Sancho einen Schlüssel auf die Kommode. „Ich dachte, es ist besser, wenn Ihr die … Situation erklärt. Es wäre äußerst unharmonisch verlaufen, hätte ich … nun, ja …“
    „Nun ja“, wiederholte Juvenal und nahm den Schlüssel an sich.
    Unharmonische Momente waren Sanchos Alltag. Das Rudel in Spanien war von unübersichtlicher Größe. Es brauchte Erfahrung, blutigen Raufhändeln vorzubeugen. Sein Omega warf sich mit Feuereifer in diese Pflicht, beschwichtigte erhitzte Gemüter und sorgte für Harmonie. Wenn er vor einem Jungwolf kniff, lag es nicht allein an jugendlichem Ungestüm.
    „Was ist mit dem Jungen, Sancho?“
    „Wenn ich das so genau wüsste. Es sind seine Augen. Sie sind sehr ungewöhnlich für einen Alphawolf.“
    Offenbar hatte diese Nacht jeden von ihnen auf eigene Weise aus dem Konzept gebracht. Da Sancho peinlich berührt auf seine Schuhspitzen schaute, musste Juvenal sich selbst ein Bild machen. Pflichtschuldig folgte der Omega ihm nach unten, um ihm vor der Kellerpforte eine Fackel zu überreichen und zurückzubleiben. Der flackernde Lichtschein fiel auf hohe, ausgetretene Steinstufen und erhellte lediglich ein kleines Stück des langen Ganges. Zu beiden Seiten zweigten Türen ab. Am Ende befanden sich zur Linken Gitterstäbe, die den Boden mit der Decke verbanden. Juvenal biss die Zähne zusammen. Wie gedankenlos musste man sein, um ein Jungtier hinter Gitter zu sperren? Über lange Stunden war Grishan sich selbst und der Dunkelheit überlassen worden.
    Ein Gesicht drückte sich an die Eisenstäbe. Goldbraune Augen blinzelten in den Feuerschein der Fackel. Grishan war kein Junge, sondern ein Mann. Zumindest sein Körperbau war

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