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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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den Kopf in den Nacken. Der Himmel sah aus, als hätte ein Kind den Farbpinsel darübergezogen. Über die tiefblaue Kuppel huschten rosafarbene Wolken. Es war die letzte Nacht vor dem Vollmond, und er spürte bereits die Auswirkung des Silberlichts. Noch war es lediglich ein Kitzeln auf seiner Haut, ähnlich winziger Sandkörner, die über ihn hinwegrieselten. In den drei kommenden Nächten musste er sich in den Weinkeller zurückziehen, denn mit jeder weiteren Stunde wurde die Bestie in ihm präsenter. Das Jagdhaus und seine Bewohner konnte er dann nicht länger meiden. Es widerstrebte ihm, es schon in dieser Nacht zu betreten. Die Sehnsucht nach dem süßen Duft einer Blüte, dem Geschmack von Nektar in seinem Mund versetzte ihn in Aufruhr. Wann immer er Berenike sah, prallten sie wie Magneten aufeinander, gleichgültig, was er sich vornahm. Er musste sie sich aus dem Kopf schlagen. Endgültig.
    Den gesamten Tag hatte er sich dem Haus und damit von ihr ferngehalten. Gegen Mittag war er auf das Anwesen in Kensington zurückgekehrt, um den Schaden zu begutachten. Das Wüten der Asrai war bis in die Ställe gedrungen. Mit aufgedunsenen, von Fliegen umsurrten Leibern hatten die Pferde in nassem Stroh gelegen. Er besaß keine Pferde mehr, kein Gepäck und vor allem war das Geld verschwunden, um eine Überfahrt auf das Festland zu bezahlen. Wie sollte er Sancho und Grishan wohlbehalten nach Hause in seinen Hort nach Ronda bringen? Seit einer halben Stunde saß er auf einem Baumstumpf bei den Haselsträuchern, ohne diesem Dilemma beizukommen. Hatten sie die Insel erst einmal verlassen, würde es einfacher sein. Sie konnten in Gestalt von Wölfen reisen und sich in den Wäldern nähren, aber dazu mussten sie zunächst den Ärmelkanal überqueren.
    Der Knall von Holz auf Holz schreckte ihn auf. Grishan stiefelte aus dem Haus und steuerte mit schwingenden Hüften auf ihn zu. Seine katzenartigen Augen waren schmal und ließen den Wunsch nach Konfrontation erkennen. Was immer ihm die Petersilie verhagelt hatte, er wählte einen denkbar schlechten Moment, sich mit Juvenal anzulegen.
    „Er kommt einfach nicht zu sich!“, fauchte Grishan und ballte die Fäuste. „Ich habe schon alles versucht. Sogar die Fenster habe ich geöffnet, weil ich dachte, die frische Luft wird ihn wecken. Aber nein, Mica liegt da wie tot!“
    Grimmig blickte Juvenal zu dem Jüngeren auf, der wild gestikulierte. Er hätte ihm sagen können, dass geöffnete Fenster den Schlaf eines Vampirs vertieften. Vor allem dann, wenn er vom Restlicht eines warmen Tages getroffen wurde. „Ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass du dich von Mica fernhalten sollst.“
    „Fernhalten? Darauf verstehst du dich ja besonders gut“, giftete Grishan und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wärest du hier gewesen, wäre das alles nicht geschehen. Aber ich musste allein damit zurande kommen und jetzt ist sie fort.“
    Juvenal spannte die Schultern an. „Berenike?“
    „Natürlich! Wer sonst?“
    „Wohin ist sie gegangen?“
    Grishan trat hitzig gegen ein Grasbüschel. In hohem Bogen flog es in die Haselsträucher. „Sie ist bei diesem mörderischen Blutsauger von einem Vampir, um sich den Kristall unter den Nagel zu reißen. Als ich es mitbekam, wollte ich sie umstimmen. Dafür erntete ich einen Kinnhaken, von dem mir jetzt noch die Ohren klingeln. Sie hat einen gewaltigen Schlag am Leib.“
    Die rosa gefärbten Wolken wurden grau und schienen auf Juvenal hinabzustürzen. In seinen Ohren setzte ein tiefes Dröhnen ein. Grishan sprach weiter, doch er war außerstande, die Worte zu verstehen.
    Berenike war bei Branwyn.
    Das Blau des Abendlichts wurde zu einem faden Grau und löschte alle Farben aus. Abrupt schnellte er auf und rannte ins Haus. In wenigen Sätzen nahm er die Treppe, nutzte den Schwung seines Laufs und trat kurzerhand die geschlossene Schlafzimmertür ein. Das Holz brach aus den Angeln und krachte zu Boden.
    Mica war erwacht, saß auf der Bettkante und blickte aus dem Fenster. Der Lärm, der mit Juvenals Eindringen einherging, ließ ihn den Kopf wenden. Große Türkisaugen blinzelten ihn an. Das Licht des Abends war noch immer stark genug, um die Reaktionen des Vampirs zu verlangsamen. Zu jeder anderen Zeit wäre es unsinnig gewesen, den Großmeister der Vampire mit bloßen Fäusten anzugreifen, doch im Augenblick war Mica ausreichend benommen, um ihm seine Niedertracht heimzahlen zu können. Sich dessen gewiss, schlug Juvenal ohne Vorwarnung zu.

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