Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
Vier Buchstaben umfassten eine ganze Welt. Er liebte sie. „Es fühlt sich aber absolut richtig an“, erwiderte sie.
Tief aus seiner Kehle kam ein Stöhnen. Dann lagen seine Lippen auf ihrem Mund. Sein Bartschatten kratzte über ihre Haut. Aus einem zarten Kuss wurde Hunger. Sie schlang die Arme um ihn und sank zurück. Obwohl er sich gegen die Sessellehnen stemmte, wurde sein Kuss tiefer, erlaubte ihr, einzutauchen in den Geschmack seines Mundes. Sie legte die Schenkel um seine Hüften und zog ihn über sich. Wärme breitete sich aus, entzündete etliche Flammenherde in ihrem Leib. Ihr Blut rauschte in den Ohren, versengte ihren Schoß. Das Spiel ihrer Zungen war nur der Anfang. Sie wusste es, sobald sein Körper sich an ihre Brüste drückte.
Ein Räuspern brach durch ihren Sinnesrausch, trieb Juvenal so jäh zurück, als hätte sie ihm einen Stoß vor die Brust versetzt.
„Störe ich?“
Einen Berg aus Kleidungsstücken über dem Arm stand Mica mitten im Salon. Er hatte sich genährt, seine Haut erstrahlte in marmorner Blässe. Trotzdem blieb sein engelsgleiches Lächeln kalt. Atemlos sank Juvenal auf die Fersen zurück. So leise er seinen Fluch hervormurmelte, Berenike schnappte ihn auf. „Scheiße“, hatte er gesagt. Wie konnte er? Nach diesem un-glaublichenKuss. Wutentbrannt sprang sie auf, versteifte ihr Rückgrat und ging mit aller verbliebenen Würde hinaus. Mit festen Tritten nahm sie die Treppe nach oben. Dort wirbelte sie herum, setzte sich auf das schmale Geländer und rutschte lautlos hinab. Neben dem Durchgang in den Salon drückte sie sich an die Wand.
„Ich habe trockene Kleidung besorgt“, sagte Mica unbefangen.
Glas klirrte an Glas. Darauf blieb es lange Minuten still. So gern sie gesehen hätte, was im Salon vor sich ging, wagte sie nicht, um die Ecke zu spitzen. Das Schweigen zerrte an ihren Nerven. Schließlich ergriff Mica abermals das Wort.
„Das Haus ist recht passabel. Ein treffliches Versteck, und wie ich sehen durfte, hast du es bereits genutzt, um die zarten Bande zu meiner Schwester enger zu knüpfen. Nun, was soll ich dazu sagen? Nachdem zwischen uns ein Bündnis besteht und meine Tochter deinen Sohn erwählt hat, steht es mir wohl gut an, mich jeglicher Einmischung zu enthalten.“
„Das Bündnis hast du mit Cassian geschlossen“, sagte Juvenal gepresst.
Micas Lachen war ebenso gereizt wie Juvenals Antwort. „Nike ist bezaubernd. Es ist schwer, ihr zu widerstehen. Wäre ich nicht ihr Bruder, ich könnte selbst in Versuchung geraten. Daher kann ich dein Verhalten nachvollziehen. Hingegen fehlt mir der Großmut, es derzeit zu schätzen. Es hängt davon ab, wie ernst du es mit ihr meinst.“
Berenike presste die Hände aneinander. Durch die Blume gesprochen erteilte Mica seinen Segen. Wenn Juvenal seine Liebe bekannte, wollte er ihnen den Weg ebnen. Ihre Erleichterung währte nur kurz.
„Ich bin das Oberhaupt der Garou, Mica. Meine Gefährtin war eine Alphawölfin.“
„Ah“, machte Mica gedehnt. „Das klingt stark nach Dünkel. Den deine Söhne im Übrigen nicht teilen. Der eine heiratete mein sterbliches Kind, der andere lebt mit einer Strega in enger Bindung.“
Was immer ihr Bruder vorbrachte, es würde an Juvenal abprallen. In dem Wissen, wie er darauf reagieren würde, schloss Berenike die Augen.
„Die Leichtfertigkeit meiner Söhne ist etwas, womit ich mich abgefunden habe. Im Gegensatz zu ihnen muss ich anderen Gesetzen folgen. Unser Bündnis geriete in Gefahr, wenn ich mich zu Berenike bekenne. Willst du riskieren, dass sie alle zu den Waffen greifen, Werwölfe wie Vampire sich gegen uns stellen?“
„Deine Bedenken kommen ziemlich spät, Juvenal“, entgegnete Mica gedämpft. „Dir scheint bei aller Leidenschaft die Bereitschaft zu Risiken abhandengekommen. Ich sehe das pragmatischer. Mir liegt das Glück meiner Schwester am Herzen. Solltest du nur ein Spiel mit ihr treiben, müsste ich dir jeden Knochen im Leib brechen. Für unser Bündnis wäre das sehr unangenehm.“
Wieder setzte Stille ein. Sie währte so lange, dass Berenike fürchtete, auf ihrem Lauschposten ertappt zu werden. Als Juvenal endlich etwas sagte, fehlte seiner Stimme jede Emotion.
„An der Asrai kann ich keine Rache üben, so viel ist mir klar geworden. Daher werde ich London in den nächsten Tagen verlassen. Ronda liegt weitab deines Territoriums. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dir oder deiner Schwester noch einmal über den Weg laufe, ist gering. Unter deiner Obhut wird
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